[Nach dem →ersten und dem →zweiten Teil nun der Schluss unserer längeren Betrachtung]
So. Der trügerische Moment ist vorbei. Und mit ihm die Illusion, Friedrich Ani habe in „Idylle der Hyänen“ „Genregrenzen“ bewusst übertreten. Sagen wir stattdessen die bittere Wahrheit: Friedrich Ani erweist sich in „Idylle der Hyänen“ als langweiliger, pfuschender, in höchstem Maße uninspirierter Autor von „Kriminalromanen“. Er muss, das ist meine feste Überzeugung, Kriminalromane verabscheuen und weist ihnen zum äußeren Zeichen seiner Verachtung eine Sprache zu, aus der so ziemlich alles, was Sprache zu Literatur macht, eliminiert wurde:
„Je länger sein Furor ihn mitriß, desto leidender wirkte sein Gesichtsausdruck, seine Gesten verwandelten sich in dramatisches Gefuchtel, und seine sachlich klingenden Aussagen, seine scheinbar intimen Bekenntnisse und seine monologischen Beschwörungen trieben ihn in einen Zustand, den Polonius Fischer von vielen Zeugen und Verdächtigen kannte, die in diesem Raum vor ihm gesessen und mit großem inneren Aufwand versucht hatten, den verhunzten Dingen ihres Lebens im nachhinein eine gefällige, entschuldbare Gestalt zu verleihen.“
Dieser Satz gehört, wie das ganze Buch, wahrlich zu den verhunzten Dingen des Lebens, eine adjektiv- und erklärverliebt mit Sprachbeton ausgegossene Denkvertiefung, ein pars pro toto, wohlgemerkt, kein mühsam aus dem Text gefischtes Einzelbelegstück. Dagegen wirkt irreparable Metaphernschiefe schon fast harmlos und humorig:
„Vor allem musste er sich vor diesem Mantel aus Mitleid hüten, den er manchmal – entgegen aller Vernunft, seiner Erfahrung zum Trotz und mit einer fast hämischen Theatralik – hervorkramte und der ihm schon während seiner Jahre in der Zelle niemals Linderung oder Geborgenheit verschafft, sondern ihn mit Selbsthaß erfüllt hatte.“
Ein Mantel, der erfüllt – morgen gleich zum Herrenausstatter schlurfen und solch ein Teil bestellen. Und wenn wir schon beim Konsumieren sind, gleich auch noch ein Dutzend Aphorismen der billigen Sorte für die nächste intellektuelle Stehparty:
„’Und nehmen Sie Ihr Leben nicht allzu persönlich, Herr Flies.’“
Ich nehme diesen Roman persönlich. Er ist, möglicherweise, nur das Dokument des grausigen Scheiterns, aus den Niederungen des Krimi in die Höhenlagen der „Literatur“ zu hüpfen. Er ist, auch möglicherweise, das Dokument einer großen Unlust, Krimi zu schreiben, es aber aus welchen Gründen auch immer tun zu müssen. Er ist, abschließend, vielleicht das Dokument einer großen Verachtung von Krimilesern „aus den gebildeten Ständen“, denen hier die ranzigen Weisheiten vorgedacht werden, auf dass man sie folgenlos nach-denken und dieses Nach-Denken für den intellektuellen Mehrwert des Lesens halten kann.
Entschuldigungen werden nicht angenommen. Weder die, „Idylle der Hyänen“ sei ja überhaupt kein „Krimi“ (stimmt; aber es steckt im Gewand eines solchen und wäre auch in größter Krimiferne nichts weniger als geglückt) noch die, der Autor verhandele existentiell wichtige Angelegenheiten, die sämtliche Mittel heiligen würden. Nein; hier werden Dinge, die von klügeren Köpfen längst aus der Plattheit herausgedacht worden sind, noch einmal in letztere zurückformuliert. Das ist, so oder so oder so: mehr als ärgerlich.
Friedrich Ani: Idylle der Hyänen.
Zsolnay 2006. 349 Seiten. 19,90 €
wobei ich wie üblich in die waagschale werfen möchte, dass jeder autor einen guten lektor braucht, das sind für mich eklatante lektoratsfehler. ich habe solche abgedroschenen passagen auch schon bei ani gefunden, womit aber nicht gesagt sein soll, dass man sie nicht hinschreibt. aber dann muss es een jemanden geben, der sie rausholt.
So mag es sein, Anobella, bei Ani hätte gutes Lektorat aber bedeutet: Papierkorb. Ich sags nicht gern, aber es ist so. Denn eigentlich mag ich den Ani ganz gerne, trotz gelegentlicher stilistischer Einbrüche.
bye
dpr
es wird doch ein torso da sein, der in ordnung ist. ein manuskript ist ja für einen autor so was wie ein marmorblock für den bildhauer: alles muss am ende runter bis auf einen schlanken körper.
s p r a c h l i c h.
Hm, Marmorblock. Schlank. Schon. Aber was, wenn man feststellt, dass die Marmorstatue aus Zuckerwatte ist? Und schlank euphemistisch für „magersüchtig“? Nee, nee, nee.
bye
dpr
gut. aber irgendwie passiert das dauernd und das ist auch eine abwesenheit des lektorats. man kann einen autor auf den richtigen zug setzen oder auf dem falschen durchrauschen lassen. ein dröges buch nützt weder autor noch lektor noch verlag. und der aufwand, zu viel gewicht rauszunehmen, ist auch nicht wieder SO GROSS.
Das setzt ein Lektorat voraus, das mehr ist als die Überprüfung der neuen deutschen Rechtschreibung. Das setzt LektorInnen voraus, die nicht nur etwas von Krimis verstehen sollten, sondern auch von Literatur. Das setzt Verlage voraus, die sich so etwas leisten wollen und können.
bye
dpr
die lektoren lesen oft weniger und kümmern sich mehr um die große linie im verlagsprogramm und geld etc. gut und schön. aber jeder text braucht einen akribischen lektor, guter stil ist ja schließlich keine ansichtssache, sondern handwerk. wenn das möbel schepp steht, kauf ich´s ja nicht oder? issdochso.
Zu diesem Thema ein vielleicht hilfreicher Link:
→So ist das:
Best
TW
das kenn ich … hab ich seinerzeit an dpr weitermailt … 😉
ich hab zu dem thema auch noch zwei links (*beißt sich fest):
den hier:
http://www.wallstein-verlag.de/9783835300613.html
und den hier von GEORG (obwohl der mich gerade KUHPRINZESSIN genannt hat!):
http://giorgione.twoday.net/stories/2635762/
mein kommentar mit zwei links steckt noch im spamfilter fest … kommt also noch. (ich kenn den link schon)
nur noch ein hinweis, dass tobias gohlis das buch in der zeit von heute gerade andersrum rezensiert (das geht in richtung punktlandung), aber die steht noch nicht online.
jedenfalls bevor ich mich über einen autor ärgere, dem nicht aufgefallen ist, dass eine metapher schief ist – shit happens! – ärgere ich mich über den lektor, der sie mir nicht rausholt. und ich als autor würde mich TIERISCH ärgern, wenn NACH dem lektorat so ein mist noch dastünde und ICH deswegen im feuilleton zerfetzt werde.
AUTOR/AUTORIN ist die letzte Instanz und verantwortlich! „Unmündige“, „lenkbare“ AutorInnen provozieren & co-produzieren den Typus Lektor, der`s sowieso besser weiß. Im guten Fall wird die Angelegenheit dialogisch. Optimal: Der Lektor muß Kommas kontrollieren, sonst nix. Unperfekte Bücher einzukaufen ist problematisch. „Erstlinge“ sind grundsätzlich was anderes, da ist Hilfestellung im Detail sinnvoll. Aber auch da: Wenn der ganze Wurf nix taugt, muß man das Buch nicht kaufen. Basta! Ruinen kaufen, dann dran rumtackern, geht meistens schief. Passiert aber alles immer mal .. Shit happens auch, keine Frage. Aber das Ärgernis Lektor für „fertige“ Autoren ist ohne Zweifel gewaltig. Eine Verhinderungsmaschine ohne Gleichen. Ich möchte mir von keinem Schnösel erklären lassen, was geht und was nicht geht. Und wo so ein Problem auftauchen könnte, will ich kein Buch machen & habe wahrlich schon genug Texte zurückgezogen. Jo!
Best
TW
SO, Fräulein, der Kommentar ist entspammt. Dafür geht jetzt die Mail nicht…Shitladen…alright, TW, but: Wenn ich als Lektor eine Stilblüte, eine Pisa-Metapher oder sonst was BEMERKE und korrigiere das nicht, ist das schlimm. Wenn ich es NICHT bemerke: auch. Wenn ich als „mündiger Autor“ solche Sachen produziere: dito. Ist was anderes, wenn das Ding von Anfang an vollgereinigt werden müsste – dann Finger weg, ja – oder den Lektor zum Autor erklären…
bye
dpr
Gohlis macht WAS? Andersrum? Na, da wird der Bursche zur Strafe drei Monate lang bei der Bestenliste aussetzen müssen…äh…oder ich widerrufe halt…ja, besser so…
bye
dpr
Logisch, mein Lieber, natürlich hol ich´s raus, wenn ich was finde – und es nicht vom Autor so gewollt war – notfalls gegen meinen Rat- (schiefe Metapher, z. B. kann eine bewußt gesetzte sein) – nur kann ich für eine Textfassung, die ich als Autor abgesegnet habe – also mit meinem Imprimatur auf der Fahne, und für die ich dann evtl. zerfetzt werde, nicht irgendwen verantwortlich machen … Außer das Buch ist BEWUSST versägt worden und ich konnte es nicht verhindern – dann muß ich mich dazu äußern; dann wird´s natürlich unbehaglich. Weil dann die Maschinerie greift, der Autor als Nörgelpott gelabeld wird usw.usw. …
Der Gefahren sind viele … Unerträglich sind für mich Autoren, die dem Lektor „freue Hand“ geben und zu allem ja und Amen sagen, nur dass dann der Name auf einem Buchrücken steht – du meine Güte, was ich da schon alles erlebt habe ….
Anyway, einen guten Abend wünscht
TW
dialog, klar. aber wenn nicht, sollten die stilblüten raus. von wem jetzt, ist mir als leser eigentlich wurscht … man sollte als autor innerhalb eines großen verlags sich einen lektor suchen können, der gelabelt ist mit „stürzt sich aufs sprachliche detail“.
Cf 17:19 – mmmh? Naja, ist schon okay …
Best
TW
„Stürzt sich aufs sprachliche Detail“? Uh, nee, liebste Wiesbadenerin, aber da schwenk ich denn vollends auf die Seite TWs. Mal davon abgesehen, dass dann auch in größeren Verlagen nur noch 2 Bücher im Jahr erscheinen würden: aber wenn ich einem Autor auch noch die Grundlagen seines Handwerks erklären muss…dass man über Einzelnes diskutiert, z.B. über die von TW genannten schiefen Metaphern,die vielleicht Absicht sein könnten: okay.
Und mal ehrlich: Ich habs auch aufgegeben, mich als Leser / Kritiker ins sprachliche Detail zu stürzen. Manchmal tuts einem schon weh, wenn man lesen muss, wie Schludersprache ganze Bücher reif für die Tonne macht, wie Sprachfluß eigentlich durch kleine Eingriffe hergestellt werden könnte, aber merkwürdigerweise nicht hergestellt wurde. Nee, das ist ein Fass ohne Boden. Bestenfalls würde ich einem solchen Autor sagen: Überarbeiten Sie das noch mal sprachlich, dann können wir uns noch mal unterhalten. Wäre in vielen Fällen aber sinnlos…
bye
dpr
das sehe ich anders. wenn ihr euch die manuskripte von autoren anschaut, so sind viele ein einziges schlachtfeld, auch noch zehnte versionen. joyce hat seine lektoren mit korrekturen bis zur letzten sekunde zur raserei gebracht. ich freue mich ja, wenn ihr autoren habt, bei denen es nur noch eines kommas bedarf – das ist dann aber in meinen augen die arbeit eines korrektors. es gibt genug beispiele, in denen autoren und lektoren einen produktiven kampf um den text hatten, ich kenne das auch von bernhard. autoren gehen oft nur nicht im interview zum buch drauf ein, weil sie gern den anschein erwecken, als würden sie druckreif schreiben. tun sie aber nicht. und die bücher sind voller fehler. d.h. nicht, dass ein lektor übergriffig werden soll, er muss immer im duktus und in der sprache des autors bleiben. mal gesetzt den fall, er hat einen. und wenn er keinen hat und nur handwerk macht, muss es auch stimmen. ich weiß nicht, warum ihr euch das mit dem handwerk so einfach macht, wenn jeder vor einem gescheiten kunst-hand-werk steht und seine ausgewogenheit und gediegenheit schätzt.
*schaltet auf stur
Das mit Joyce nehme ich jetzt so nicht hin. Bei dem war alles work in progress, einerseits, aber andererseits lag alles in einem großen, überlegten Plan. Wenn sich Autor und Lektor wirklich einen „produktiven Kampf um den Text“ liefern sollten, würde das künstlerische Augenhöhe voraussetzen. Einen Lektor auf Augenhöhe Joyce kann es aber nicht geben, das wäre dann ein zweiter Joyce, völlig unmöglich. Sagen wirs einfach so: Manchmal machen auch gute Autoren blöde Fehler. Dann sollte ein Lektor sagen: Eh, hör mal, sollte man nicht besser… Ein guter Lektor macht aber aus einem schlechten Autor keinen guten. Und ein Autor, dem ich die Sprache zurechtbiegen muss, ist ein schlechter Autor. Dass Texte über weite Strecken ihrer Entstehung sprachliche Schlachtfelder sind: mag ja sein. Aber in dem Moment, wo ich als Autor einen Text abschließe, darf er das eben nicht mehr sein. Sonst ist der Text noch nicht fertig. Und einen unfertigen Text schicke ich nicht an den Lektor, es sei denn, ich bin so verzweifelt, dass mir nichts besseres mehr einfällt.
bye
dpr
*schaltet auch auf stur
ich glaube nicht, dass das realistisch ist, was du da sagst, auch wenn mir die belege fehlen. ich weiß aber, dass autoren sich freiberufliche lektoren suchen, die mit ihnen diese arbeit am text machen, weil sie sie in verlagen nicht mehr finden (ich will das nicht verallgemeinern). ich wüsste auch nicht, wieso man das vom tisch wischen sollte. ich wüsste auch nicht, was ehrenrühriges daran sein sollte, dass ein autor mit einem text zu einem verlag kommt, der noch eine überarbeitung kriegt. wozu zum teufel sind lekotren da? irgendwie redest du den fehlern das wort, die du oben anprangerst. es wäre doch ein leichtes für einen lektor gewesen, den kram rauszuholen, ohne den ganzen ani gleich in den gully zu werfen.
ich verstehe diese ausschließlichkeit der argumentation nicht und vermute irgendeine ideologie dahinter, aber ich weiß nicht welche …
es gibt autoren, die eine intensive zusammenarbeit mit einem lektor sehr zu schätzen wissen. und da sind einige sehr gute mit einer sehr guten sprache darunter, deren buch am schluss sicherlich nicht das werk des LEKTORS ist.
Die Ideologie dahinter heißt einfach: Autoren heißen Autoren, weil sie Texte schreiben. Lektoren heißen Lektoren, weil sie Texte lektorieren. Lektoren sollten Autoren HELFEN, auf logische Fehler aufmerksam machen (einmal „Muttermal auf der linken Wange“, dann „Muttermal auf der rechten Wange“), auf Sprachschnitzer, auf Dramaturgiehänger, sie sollten sie auch psychologisch ein bissel supporten, wenns sein muss („Komm, Alter, das schaffst du schon…kleiner HÄnger…macht nichts) – aber sie können aus schlicht Misslungenem nichts Gelungenes machen. Ani: Auch wenn du ihm die 794 Sprachböcke austreibst, bleibts trotzdem ein konzeptionell verpfuschtes Werk. Das ist der Punkt. Nicht dass sich Lektoren prinzipiell nicht „einmischen“ sollten.
bye
dpr
das könnte jetzt wieder von mir sein.
*blickt nicht durch
Guckma, Anobella: Nehmen wir an, ich hätte das Manuskript einer Debütantin vor mir, sagen wir mal „Pfalzkrimi“ oder „Winzerkrimi“. Ich käme beim Lesen zur Erkenntnis: Ja doch, wirklich gut. Schöne Dialoge, nettes Sprachambiente, die kann was. Nu, vielleicht da mal’n bisschen eleganter formuliert…indirekte Rede, uh, kommt vielleicht nicht so gut…bisschen straffen hier und da…: das sollte ein Lektor machen, wenn es sich lohnt. Und immer wieder aufmuntern. Mal mit der Autorin beim Inder essen gehen. Das nenne ich vorbildliche Betreuung. Und am Ende kommt ein sauberes Werk dabei raus. Nur mal als spontanes Beispiel. Wo dann der Lektor EXPLIZIT NAMENTLICH ERWÄHNT wird. Im Abspann wenigstens.
bye
dpr
und WO GENAU unterscheiden wir uns jetzt?
*verschränkt die arme
**möchte auch noch mal auf dpr`s DETAILBESESSENHEIT in diesem thread hinweisen:
http://anobella.twoday.net/stories/1720534/
und ü-ber-haupt hat auch georg einen sehr schönen ESSAY zum thema geschrieben.
*nickt in die runde
Nu misch ich mich doch mal ein. Kommata gehören definitiv in den Zuständigkeitsbereich der Korrektoren. Lektoren heißen hier bei uns Verleger und erscheinen namentlich im Buch, jedenfalls noch. Das ist vielleicht eine zusätzliche Motivation zu lektorieren? Aber Krimis, mit dem sich viele Verlage versuchen die „echte“ Literatur zu finanzieren, leiden auch hier an Lektoren, die ihre Arbeit nur hinschludern (oft weil sie es nicht besser wissen). Das ist nicht schlimm, wenn der Autor gut arbeitet, aber wenn die Voraussetzung nicht erfüllt ist…MannoMann.
Und : ein Lektor kann keinen Roman retten. Oder wenn er’s kann, sollte er/sie selber schreiben.
LG
barb