Gutes und Schlechtes

Es hält sich ja meistens die Waage: Das Zeug, das einen motiviert und das Zeug, das einen demotiviert. So bleibt man irgendwie im Zustand des Mal-so-mal-so ausbalanciert, die Kollerader, wie sie manchmal bedrohlich anschwillt, schwillt gleich wieder ab. Also was ist gerade gut, was gerade schlecht? Eine kleine Zusammenfassung.

Gut ist, nein, prima ist: Der Garten in Sachen Astrid Paprotta ist umgegraben. Knapp 70 Seiten inklusive schönem Interview mit dem Gegenstand meiner Bemühungen, hinzu kommt noch eine Auswahlbibliographie, an der Thomas Przybilka, Meister der Zettelkästen und Mappen, gerade sitzt. Wirklich, das war Schwerstarbeit, so ganz in Texte zu kriechen, von denen man ja eigentlich glaubt, dafür seien sie gar nicht gedacht. Krimis eben; die Qualitäten liegen an der Oberfläche, man kann graben, kommt aber nicht so recht in die Tiefe, weil einem der felsige Boden der Genrevorgaben einen Strich durch die Rechnung macht. Also die Spitzhacke ansetzen, aber vorsichtig, bitte.

Ein bisschen Schönheitskosmetik; einiges gefällt mir noch nicht; aber die Richtung stimmt. Mal gucken, vielleicht finde ich noch einen kritischen Geist, der das Ganze gegenliest und mich zurechtstutzt.

Gut auch: Norbert Horsts „Blutskizzen“ gelesen und zufälligerweise parallel Michael Connellys „Vergessene Stimmen“. Beide liefern Stichworte zum Thema „Authentisch“, über das ich mich fürs Krimijahrbuch 2007 auslassen möchte. Schön, schön.

Ganz schlecht hingegen: Kommissar Wickius, der die Verbrechens- und Kriminalliteratur auswendig kennt, wird in den vorläufigen Ruhestand geschickt. Seine Fälle interessieren die Leser dieses Blogs anscheinend nicht sonderlich, was schade ist, aber nicht zu ändern. Auf die Frage, ob er denn die Lösung seines zweiten und letzten Falles der begierigen Allgemeinheit bekannt geben wolle, antwortete Wickius, in Ruhe seinen Schreibtisch leerend: „Nein. Die können mich mal alle…“ Muss man verstehen, diese Verbitterung. Der Mann hätte ein längeres Leben verdient gehabt.

Weder gut noch schlecht: Da „Unterschichten“ wahrscheinlich zum Wort des Jahres wird, haben wir uns in der Redaktion auf einen verstärkten Einsatz dieser Bezeichnung geeinigt. In Zukunft werden schlechte Krimis Unterschichtenkrimis genannt, allzu grobe Kommentare Unterschichtenkommentare und jenseits der Kompetenz angesiedelte Rezensionen Unterschichtenrezensionen. Wir müssen schließlich mit der Zeit gehen, und die ist halt gerade nicht so.

12 Gedanken zu „Gutes und Schlechtes“

  1. Protest !! Ihr könnt den Wickius doch nicht in Ruhestand schicken ! Wenn Otto Lilienthal nach zwei Flugversuchen abgebrochen hätte, würden wohl alle noch am Boden kleben. 😉 Beim zweiten Fall wollte ich mich nicht schon wieder als Unwissender outen. Anderen wird es ähnlich ergangen sein. Man hätte doch der stillschweigenden Leserschaft noch einen Tip geben können. Aber diese grauenvoll schnelle Entsorgung…. ein Skandal !!!
    *grummelnd, maulend, unlustig
    Markus

  2. Hm, lieber Markus, das liest sich jetzt aber wie ein Unterschichtenkommentar, sorry. Die Kommissar-Wickius-Serie war aber Teil unseres Mitmachkonzepts, mit dem wir gerade Unterschichten aus der sozialen und kulturellen Isolation holen wollten. Sei dabei! Habe ein Erfolgserlebnis! Fühle dich als nützliches Glied der Gesellschaft! Und genau das klappt halt nicht, weil die Rätsel wohl nur etwas für die kriminelle Oberschicht sind. Dabei wars diesmal doch wirklich nicht so schwer, gelt? Ich gebe einen letzten Tipp: Wir suchen das Werk eines skandinavischen Autors, in dem es um Misshandlungen geht, die gerächt werden. Fixiert euch nicht darauf, dass hier ein Mann von einer Frau misshandelt wurde! Es kann ja auch umgekehrt vorkommen, habe ich mir sagen lassen. Und Käsebrote sind manchmal Wurstbrote, über die ständig gemeckert wird. Na?

    bye
    dpr

  3. Eine typische Unterschichtenreaktion! Entspricht wohl dem unterschichtsmäßigen Kenntnisstand der wtd-Leserschaft, was die Geschichte literarischer/literarisierter (?) Kriminalfälle angeht. Ich tippe ja auf irgendwas aus der Kalevala… Aber, oh Gott, wer kennt sich da aus? Muss Wickius seine Rätsel eben unterschichtsbildungsniveaukonform gestalten! Einmal noch. Bitte!

  4. Ibsen? Strindberg? Haben die zur Zeit wieder Bestseller am Laufen? Hm. Nee, nee, wenn ich jetzt bösartig wäre, würde ich sagen: Unterschichtenkrimi. Obwohl wahrscheinlich der beste, den der Autor überhaupt geschrieben hat. Er beginnt übrigens mit einem Prolog, der in einem nordafrikanischen Land spielt, dessen Zustände ich anlässlich einer kürzlichen Rezension beschrieben habe. Na?

    bye
    dpr

  5. Ich schließe mich Markus an. Gleich die Flinte ins Korn werfen, nur weil keiner auf die Lösung kam, ts ts ts… Dass die Leser hier nicht massenweise auf Wurstbrot-Mankell kommen könnte doch auch ein positives Zeichen sein, oder?

  6. So, so, Wurstbrot-Mankell also. Und welches Werk, na? Ich werde mal mit dem Chefredakteur reden, lieber Ben, aber wenn du ihn kennen würdest, hättest du auch wenig Hoffnung. Er hat sich in den Kopf gesetzt, Hinternet als Teil der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung zu etablieren, sprich: Gebühren abzugreifen. Dazu müssen wir natürlich diesen ganzen Unterschichtenquatsch jetzt mitmachen und unser gesellschaftliches Engagement zeigen. Was nicht funktioniert (Wickius), fliegt eben raus, so ist das im Neoliberalismus. Nun, wir werden sehen.

    bye
    dpr

  7. Afrika? Die weiße Löwin?
    Ich habe in der „Literatur“ gesucht, nach Antigone schien mir die Richtung vorgegeben.
    Kleingeistig halt.
    LG
    barb
    *seufzt
    **mag Wickius Rätsel trotzdem (oder deshalb?)

  8. Leider knapp daneben, liebe Barb. Der Roman spielt in Schweden, nur der Prolog, der quasi die Motivationslage der Täterin(!) begründet, spielt in – Algerien.

    bye
    dpr

  9. Na endlich! Hat lange gedauert…ts,ts, was lesen die Leute eigentlich so…also nur noch Oberschichtenkrimis? „Literaturkrimis“? Ich werd den Herrn Wickius mal fragen, ob er nicht ein paar schöne einfache Fälle hat, die wo auch der Unterschichtler lösen kann. Drückt mir die Daumen!

    bye
    dpr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert