Aber ich tue es, wer will es mir verdenken, mit einem weinenden Auge. Denn viel lieber hätte ich dieses Buch, den Jahresband 2006 der →„Criminalbibliothek des 19. Jahrhunderts“ verkauft. Auf Papier gedruckt, drei Erzählungen, die beweisen sollen, wie politisch und gesellschaftsbezogen sie waren, die alten Krimis.
Doch ach: Nicht einmal 40 Menschen unter etwa 100 Millionen Deutschsprachigen wollten so etwas lesen. Da konnte ich noch so sehr in die Werbevollen gehen, mit Mailinglisten, Leseproben-Broschüren und günstigsten Subskriptionspreisen arbeiten. Vergebens, umsonst. Drum gibt es nun die drei Geschichten peu à peu in schönem Neusatz mit kurzen Nachworten digital für jedermann. Umsonst.
Ich brauche kaum zu betonen, dass ich das alles für reichlich erbärmlich halte, für ein Armutszeugnis, das vor allem diejenigen sich selber ausstellen sollten, die schon in der Vergangenheit eine Menge dummes Zeug zu alten Krimis herausschwafelten und es wohl auch in Zukunft tun werden. Erbärmlich für unsere „Krimikultur“ im Allgemeinen, die erneut bewiesen hat, dass es sie nicht gibt oder, wenn es sie denn doch gibt, dass sie sich hübsch verborgen halten sollte, um nicht zu erröten, wenn sie in einen zufälligen Spiegel blickt. Da gäbe es einiges zu entdecken, aber man begnügt sich mit druckfrischer Ware, die, sobald sie nicht mehr frisch ist – und das geschieht binnen Monaten -, auch schon vergessen sein wird.
Von den drei Erzählungen des Bandes stellen wir zunächst die letzte der ursprünglichen Druckvorlage zur Verfügung, Benno Bronners „Herr von Syllabus“. Und zitieren aus dem Nachwort:
Mit „Herr von Syllabus“ hat Bronner nicht nur die wohl erste, höchst vergnüglich zu lesende Krimiparodie der Literatur verfasst. Er zeichnet uns auch ein authentisches Bild der Umbrüche jener Zeit, als „Schundliteratur“ noch als liberal und gefährlich eingestuft wurde, Kapital und Freiheit und Sozialismus an einem Strang zu ziehen schienen. Jedenfalls in den Schreckensszenarien einer untergehenden Welt.
Wer lesen kann, den wird’s vergnügen, wer denken kann, dem wird es zu denken geben. Die beiden übrigen Geschichten, J.D.H. Temmes „Ein Amnestirter“ und „Der tolle Hans“ von Adolf Streckfuß werden folgen.
Und, ach ja: Als dritter Band der Reihe war eigentlich Emilie Heinrichs’ „Leibrenten“ vorgesehen. Ein Buch, das nicht nur Interessenten an der sozialen und geistigen Situation der zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Spannung hätten erwarten sollen, sondern auch Liebhaber unterhaltsamer, dabei gleichwohl klarsichtig realistischer Literatur. Also nicht einmal 20 wackere Menschen, die den Roman subskribierten. Umsonst, im doppelten Sinn. Der Text ist neu gesetzt, muss aber noch korrekturgelesen werden und wird dann auch digital zugänglich gemacht. Umsonst, umsonst. Also nichts wie hin zur →„Criminalbibliothek des 19. Jahrhunderts“!