Aus dem Tagebuch einer Krimiautorin

Schon hatten wir uns damit abgefunden, dass unser freundliches →Blogangebot für AutorInnen ohne Resonanz verhallen würde – da erreichte uns die Mail einer nicht ganz unbekannten (aber auch nicht sonderlich bekannten) Krimischreiberin. Ja, sie sei dabei! Allerdings nur anonym, denn schließlich wolle sie hier nicht plump Werbung in eigener Sache betreiben. Außerdem tangiere das von ihr geführte Tagebuch nicht selten „den Intimbereich“. Natürlich haben wir freudig zugesagt und veröffentlichen nun folgend die ersten, sehr aufschlussreichen Notizen aus dem Alltag der Kollegin. Zur Nachahmung empfohlen!

7 Uhr 17: Der Tag einer Kriminalautorin beginnt immer gleich. Aufstehen, duschen, frühstücken, googeln. Während ich meinen Namen eingebe, breitet sich ein wohliges Kribbeln unter der Bauchdecke aus, fast wie Sex, nur schöner. Aber genauso lang: fünf Sekunden. Dann steht fest: Niemand hat mich neu auf seiner Webseite verewigt, nicht einmal der Schleimer von krimiblog.de. Erste Enttäuschung.

7 Uhr 25: Eher lustlos lese ich mich durch die Blogs. Da! Das gibt es nicht! Was fällt denn DEM ein! Eine positive Rezension des neuen Krimis von B., dieser alten, arroganten Kuh! Die sich bei der CRIMINALE an Norbert Horst rangeschmissen hat – oder wars Horst Eckert? Einerlei. Null Talent, aber geliftet wie Patricia Highsmith. Kurz zum Alligator, ohne große Hoffnung. Der ist noch gar nicht auf Sendung.

8 Uhr 12: An den Schreibtisch. Leer. Nicht der Schreibtisch – ich. Seite 112 meines neuen Thrillers, langsam muss ich mich entscheiden, wo ich hin will. Eher realitätstüchtig oder psychologisch? Weiß noch nicht. Bis Seite 200 kann ich noch vor mich hin fabulieren, das merkt keine Sau. Vielleicht mal eine Sexszene? Immer gut. „Voller Begierde öffnete Kowalski Lindas obersten Blusenknopf und begann zu grunzen.“ Grunzen ist gut. Sonst weiterhin leer. Ich starre auf den Bildschirm – oh, jetzt hab ich doch glatt drei Seiten geschrieben! Na, werden schon okay sein.

9 Uhr 44: Eigentlich müsste ich dringend einkaufen, aber die Post war noch nicht da. Soll ich warten? Ich warte.

10 Uhr 22: Der Postmann. Das Scheppern des Briefkastens. Schnell hin. Reklame und eine Geburtstagskarte von Mutter. Habe ich heute Geburtstag? Dann muss mich der Alligator heute würdigen! Muss er! Ist seine Pflicht! — Nein. Die Karte ist für meine Schwester, Mutter hat nur wieder die Vornamen verwechselt. Wird auch nicht jünger. Kein Autogrammwunsch. Kein Vertragsangebot von S. Fischer.

10 Uhr 52: Stehcafé bei Tchibo. Ich stelle mich ans Schaufenster an der belebten Straße, gucke raus. Vielleicht erkennt mich jemand. Immerhin war ich vor drei Monaten im Lokalteil der Zeitung, „unsere bekannteste Krimiautorin“. Okay, es gibt nur eine in diesem Kaff, die andere ist vor zwei Jahren gestorben. Alle gehen vorbei, na ja. Ich habe meine Autogrammkarten eh auf dem Küchentisch vergessen.

11 Uhr 47: Essen gehen. Aber nicht oben beim KAUFHOF. Seit die meine Bücher nicht mehr führen, können sie von mir aus gucken, wer ihnen den lauwarmen, pampigen Nudelauflauf abkauft. Lieber zu McDonalds.

12 Uhr 30: Schnell noch bei Hugendubel vorbei. Ich liege immer noch auf dem Novitätentisch in der zweiten Reihe, aber jetzt ganz links, da müssen sich die Kunden ganz schön verrenken, um den Titel lesen zu können. Die Chaplet liegt ganz vorne, typisch! Und der Bottini, dieser Zenmönch, auch! Unauffällig austauschen, die Chaplet ins Regal „Eisenbahnromantik“ stellen. So.

14 Uhr 02: Wieder Internet. Alligator. Natürlich keine Erwähnung. Dafür Paprotta, Paprotta, Paprotta! Ist doch gar keine richtige Kriminalautorin! Macht diese Echse doch nur, weil im angeschlossenen Verlag gerade dieses Schmierheft erschienen ist, „Sekundärliteratur“, pah! Dass die sich nicht schämen! Ist heute Freitag? Tatsächlich! Wörtche! Schnell hin! — Nichts. Hätte mich auch gewundert, wenn schon einer „Doktor“ ist! Die stecken doch alle unter einer Decke, der Noller, der Gohlis, diese ganzen Großkritiker!

14 Uhr 29: Weiterschreiben. Die Sexszene fertigmachen. „Lindas Brüste lagen wie fleischfarbener Wackelpudding auf seinen Handflächen.“ Wie ist immer gut. Literarisch. Ihre Augen leuchteten wie Taschenlampen. Mal notieren, für später.

16 Uhr 55: Mensch, beinahe hätte ich die Lesung heute abend vergessen! Gemeindehaus Oberrammelsbach, kleiner Saal. Immerhin. Hier hat schon Peter Handke gelesen, 1973, erzählt man sich heute noch von. Was zieh ich an? Ganz in schwarz, den „Krimilady“-Fummel? Oder mehr sportlich, trendy, neue deutsche Krimipower? Nach zermürbenden dreißig Minuten vor dem Kleiderschrank entscheide ich mich für das Jeansoutfit. Für die paar Hanseln wird das reichen.

18 Uhr 09: Anruf Verleger. „Der Tod kennt keine Begierde“ läuft nicht so richtig, „Wir müssen da mal drüber nachdenken, liebe K.“ Nachdenken? Rausekeln will man mich! Das hat Tradition im deutschen Kulturstaat! Was einem nicht passt, wird einfach rausgeekelt! Wenn das so weitergeht, lande ich noch beim NordPark Verlag.

19 Uhr: Gemeindehaus Oberrammelsbach. Sind alle da? Ich erkenne Mutter und meine Schwester Gudrun – hat die nicht heute Geburtstag? -, zwei Schulfreundinnen, schon lange nicht mehr gesehen, dazu die fünf Greise vom „Literarischen Zirkel“ der Volkshochschule, zwei Buchhändlerinnen, die aber gerade im Mutterschaftsurlaub sind, — und einen ganz stattlichen, schon leicht angegrauten Herrn. Interessant. Dann wollen wir mal. Hab ich das Buch dabei?

21 Uhr 01: Tolle Lesung! Ganz angespannt waren die, einer der Greise hat fast keine Luft mehr gekriegt, das sah fast nach Exitus aus, damit wäre ich überregional in die Presse gekommen! Hat sich aber doch noch mal berappelt. Nach der Lesung die obligatorischen Fragen. Wann ich schreibe, wieviel ich schreibe, woher ich meine Ideen nehme, ob ich wegen meines Lispelns jemals in Behandlung gewesen wäre, warum ich ihr noch nicht zum Geburtstag gratuliert hätte – meine Schwester, die Schlange, typisch. Gläschen Sekt zum Abschluss. Mit dem stattlichen, angegrauten Herrn zwanglos ins Gespräch gekommen. Da könnte was laufen!

23 Uhr 57: Im Bett. Allein. Der Kerl war schwul wie Winnetou, wollte eine „Seelenfreundschaft“! Müde. Mein letzter, resignierter Gedanke: Frauen schreiben Kriminalromane, weil sie Männer kennenlernen wollen. Das ist die ganze, die bittere Wahrheit. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht habe ich ja morgen Geburtstag.

14 Gedanken zu „Aus dem Tagebuch einer Krimiautorin“

  1. a l l e s … thema, sprache, scherze …

    *fing an, mit echter rezeptionsbereitschaft zu lesen … aber zu durchsichtig!

  2. dpr kann sich einfach nicht in eine Frau versetzen. Dafür ist er zu sehr Mann.

    Außerdem ist der Text unlogisch: In einem Kaff gibt es wohl kaum einen Kaufhof, einen McDonalds und einen Hugendubel. Kaufhof + McDonald + Hugendubel = kein Kaff!

    Der Schleimer

    P.S.: Wie uns aus gut unterrichteten Kreisen zugetragen wurde, soll dpr im nächsten Jahr den neu ausgeschriebenen Preis, den „Goldenen Querschläger“ des Syndikats, für die schlechteste Berichterstattung über die „Criminale“ erhalten.

  3. Ihr habt alle keine Ahnung von Realismus!

    „Als Realismus wird in der Literaturgeschichte eine literarische Strömung im 19. Jahrhundert bezeichnet. Als Zeitspanne wird ungefähr 1830 – 1890 angegeben“ Wikipedia.

    Es verantwortet ja auch sonst keiner eine Heimatseite für Krimis dieser Periode.

  4. Sag ich doch! Und von realistischen Einblicken in die flirrende Innenwelt deutscher Krimischaffender verstehen die auch alle nix! Mei, mei, mei…

    bye
    dpr

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