P.J. Tracy, das Mutter-Tochter-Krimiduo aus den Staaten vollführt seit nun vier Romanen einen besonderen Balanceakt. Zwischen perfekt gebrauter Kriminalliteratur, die allen Globalisierungsmaßstäben genügt, und dem kleinen störrischen Etwas, der individuellen Note, die sie aus der Masse ähnlicher Markenware heraushebt. Auch „Memento“ lässt die beiden nicht vom Seil fallen. Das schwankt aber ein wenig.
Wieder begleiten wir die Detectives Magozzi und Rolseth bei ihrer Alltagsarbeit. Minneapolis ätzt unter Kälte und Schneebergen, saisonale Vergnügungen wie ein Schneemannwettbewerb erwärmen die Herzen. Bis zwischenzeitliches Tauwetter die Innereien zweier dieser lustigen Gesellen freilegt: ermordete Polizisten. Ein dritter Fall kommt hinzu, auf dem flachen öden Land hat ein Bewährungshelfer ebenfalls auf diese makabre Art seine vorletzte Ruhestätte gefunden. Es ist kalt, wie gesagt, Schneechaos. Und der verantwortliche Sheriff für den letzten Fall ist eine Frau – ohne Berufserfahrung, den ersten Tag im Dienst. Immerhin hat man einen möglichen Täter schon im Visier, man weiß sogar, was er vorhat: Er will seine Exfrau töten, verstümmelt hat er sie schon früher.
Magozzi und Rolseth sind natürlich ein liebenswürdiges und witziges Ermittlerpärchen, immer für einen Spruch gut, manchmal rau, doch innen weich, nicht so wie Schneemänner also. Und wie stets gibt es in „Memento“ prächtige Einfälle. Dass die Polizei nach dem Leichenfund hunderte von Schneemännern des Wettbewerbs zerstören muss, um mögliche weitere Opfer zu finden, ist einer davon. Die Kinder stehen heulend vor der Schlächterei und haben ihren psychischen Knacks fürs Leben weg.
Wer den Vorvorgänger von „Memento“, „Der Köder“, kennt, wird allerdings nach geraumer Lesezeit mutmaßen, dass sich P.J. Tracy diesmal thematisch wiederholt. Und so ist es auch. Abermals geht es um Täter und Opfer und dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie zu sein scheinen. Im „Köder“ kam diese Erkenntnis wie ein Schock, sie war so verblüffend wie eigentlich „krimiunkorrekt“. Jetzt, in „Memento“, ist das alles ins eher Private gewendet und nicht mehr originell. Klasse ist es dennoch, keine Frage. Und das Ende für einen Krimi außergewöhnlich, aber konsequent. Von den Tracys aber sind wir mehr „Ahas“ gewöhnt, als sie uns in „Memento“ präsentieren. Das liest sich gut, das unterhält, das hat Ideen – und ist dennoch der bisher schwächste Krimi des Duos. Allerdings, es sei noch einmal betont, auf sehr hohem Niveau.
P.S.: Leichen in Schneemännern sind keine Erfindung der Autorinnen. Wir verweisen auf Robert van Guliks „Nagelprobe in Peitscho“.
P.J. Tracy: Memento.
Wunderlich 2007
(Original: „Snow Blind“, 2006, deutsch von Tanja Handels).
316 Seiten. 16,90 €
Aber mit 320 Seiten sympathisch kurz.