Man vermisst sie manchmal, die solide gearbeiteten Kriminalromane, denen nicht jedes vertraute Muster gleich zum Versatzstück gerät. Mechtild Borrmanns zweiter Krimi „Morgen ist der Tag nach gestern“ besticht durch die Disziplin, mit der eine Geschichte dramaturgisch und sprachlich nach bekannten Regeln erzählt wird – und genau dadurch angenehm überrascht.
Ein Sommerhaus der gehobenen Klasse brennt nieder. Brandstiftung. Der Besitzer Gustav Horstmann kommt in den Flammen ums Leben, eine zweite Leiche findet sich wenig später, ein PC übersteht das Inferno im Keller. Auf ihm finden sich kinderpornografische Dateien, was besonders brisant ist, weil Horstmann Beiratsmitglied einer Stiftung war, die Kinder in Not betreute, solche vor allem, die von einem Elternteil ins Ausland entführt zu werden drohten. Kommissar Kleve und sein Team von der Kripo Kleve übernehmen.
Die Polizeiarbeit ist einer von drei Erzählsträngen. Wir lernen Menschen kennen, die Fakten sammeln, spekulieren, fehler begehen, ihre größeren oder kleineren Probleme wohldosiert nach außen lassen. Der zweite Erzählstrang versetzt uns in die leicht verschrobene Vorstellungswelt eines jungen Nachbarn Horstmanns, der das Sommerhaus in der Abwesenheit des Besitzers betreute. Und ein dritter Weg durch die Handlung macht uns mit einem verzweifelten Vater bekannt, der die Geschichte einer Katastrophe zu Papier bringt.
Eine altbekannte Dramaturgie also: drei Stränge, die erst parallel zueinander entwickelt werden, sich immer bedrohlicher aufeinander zu bewegen und im Finale treffen, wobei der Fortschritt polizeilichen Ermittelns als die treibende Kraft agiert. Ein Standardverfahren der Kriminalliteratur also, dessen Ende sehr früh absehbar ist. Die Fronten scheinen rasch geklärt, der Fall folgt den üblichen Gesetzen.
Weitaus spannender in „Morgen ist der Tag nach gestern“ geraten jedoch die Psychogramme der Täter-/Opferfiguren. Es werden Geschichten erzählt, Geschichten von Menschen in Extremsituationen, doch weder der Wahn noch die Verzweiflung schlingern dabei plakativ ins Sensationelle. Eine schöne Volte am Ende sorgt zudem dafür, dass die eigentlich klaren Fronten von Opfer und Täter verschwimmen – auch das weitab üblicher Schemata à la „Alle Täter sind auch irgendwie Opfer“ etc.
Mechtild Borrmanns Roman gehört zu den unspektakulären Werken dieses Jahres, was vor allem der Sprache geschuldet ist, die recht „schmucklos“ in zumeist knappen Hauptsätzen daherkommt. Auch das eine Stärke des Buches, denn wer sagt eigentlich, dass Sprache bei jeder Gelegenheit ihre grammatischen Klunker anlegen muss, wenn sie an die Öffentlichkeit geht? Nein, es passt schon. Sehr präzise, sehr logisch, die drei Stränge, die ja zugleich drei Perspektiven manifestieren, welche wiederum sprachlich flexibel genug gestaltet sind, um das, was es zu sagen gibt, überzeugend den jeweiligen Ebenen zuordnen zu können.
Summa: Borrmanns Roman gehört zu den erfreulichsten Produkten der diesjährigen heimischen Krimiproduktion. Erzählökonomisch effektiv, stil- und handlungssicher.
Mechtild Borrmann: Morgen ist der Tag nach gestern.
Pendragon 2007. 222 Seiten. 9,90 €