Messebericht 2007

„Den Kaffee bezahle diesmal ICH!“

Mein diesjähriger Besuch der Frankfurter Buchmesse beginnt mit einer faustdicken Überraschung. Krimischaffende Astrid Paprotta, die mich zum traditionellen Hintergrundgespräch geladen hat, ist gewillt, den Löwenanteil ihrer Tantiemen für „Feuertod“ in völlig überteuertes heißes und schwarzes Wasser zu investieren. Wir zapfen die Getränke („Selbstbedienung“) und ziehen uns zum Gedankenaustausch zurück.

Fünf Minuten rühren wir versonnen im Gebräu, bevor ap mit ausdrucksloser Stimme sagt:

„Meine Geschirrspülmaschine ist kaputt.“

Es überläuft mich. Am Stand des Dortmunder Grafit Verlages droht ein Buch umzufallen. Wir rühren weiter im Kaffee. Noch einmal fünf Minuten.

„Bei defekter Geschirrspülmaschine kann ich nicht schreiben.“

Natürlich nicht. Ich nicke mitfühlend und sammle erste Eindrücke der heurigen Modetrends bei den Verlagsmädels. Stiefel. Stiefel in allen Variationen. Röcke. Meist mittellang. Das Buch bei Grafit steht noch. Die Zeit (fünf Minuten) vergeht.

„Kein Mensch kann Krimis schreiben, wenn die Geschirrspülmaschine defekt ist“, klärt mich ap auf. Ich nicke auch diese Weisheit ab. Wir starren auf den von keinem Lüftchen bewegten, starren schwarzen See in unseren Tassen. Fünf Minuten ziehen ins Land.

„Höchstens Oliver Bottini.“

Äh…ich habe den Faden verloren. Bottini? Macht nichts. Es ist wieder an der Zeit, im Kaffee zu rühren. Vier Minuten? Nein. Fünf.

„Nein, der auch nicht.“

Wer? Was? Unwichtig. Der Kaffee ist kalt, das Buch am Grafitstand in bedenklicher Schieflage.

„Ich muss jetzt zum nächsten Termin. War schön, mal wieder mit dir zu sprechen“, gibt ap das Zeichen zum Aufbruch.

„Und grüße Anobella von mir. Ich mag sie sehr.“

„Werd ich ausrichten“, lüge ich. Interessantes Gespräch.

Auf dem Weg zu meinem nächsten Termin mit Krimiexperte Thomas Wörtche Vertiefung der bisherigen modischen Eindrücke. Ja, Stiefel. Ich mag keine Stiefel. Und Röcke. Ich mag Röcke. Dazu bisweilen recht nachlässig geknöpfte Blusen. Sehr schön.

Ex-metro-Herausgeber Wörtche wartet mit einer Sensation auf: Er hat sich das Rauchen angewöhnt. „40 Jahre Nichtraucher – ich muss ein vollständiger Idiot gewesen sein“, bekennt er hustend. Wie er es geschafft habe, mit alten Gewohnheiten so radikal zu brechen? Stolz streckt sich Wörtche zu voller Körpergröße und bekennt: „Es war nicht leicht. Am Anfang hat es einfach scheiße geschmeckt. Heute auch noch. Aber seit ich rauche, habe ich viel mehr Erfolg bei Frauen.“ Er zieht ein schwarzes Feuerzeug aus der Jackentasche und überreicht es mir. „Statt Visitenkarte“. Ich lese den Aufdruck. „Even non-smokers get the Blues“. „Vierzig Jahre! Ich fass es nicht!“

Sprichts, entsorgt seine CAMEL LIGHT nonchalant auf dem Teppichboden und verabschiedet sich auf den Spuren einer viel zu jungen Verlagsmitarbeiterin. „Grüß Anobella von mir, ich liebe sie“, sind seine letzten Worte. Ich vergesse sie sofort wieder.

Inzwischen ist es Nachmittag geworden, das Büchergemensch drückt sich durch die Flure, an Atmen ist nicht mehr zu denken. Meine nächsten Gesprächpartner, Christina Bacher und Ulrich Noller, erwarten mich in einem der zahlreichen – und natürlich überfüllten – INDOOR COFFEE SHOPS. Thema: Krimijahrbuch. Läuft alles? Noller: „Jo.“ Bacher: „Aber immer“. DPR: „Dann hätten wir uns nichts mehr zu sagen.“ Noller: „Nö.“ Bacher: „So siehts aus.“ Wir trennen uns als Freunde. Schöne Grüße soll ich ausrichten. An wen? Die LeserInnen ahnen es.

Auf dem Weg zum Höhepunkt meines Messebesuchs passiere ich den Stand des Dortmunder Grafit Verlages, als dort just jenes schon mehrmals erwähnte Buch umfällt. Es handelt sich um Horst Eckerts „Königsallee“. Ein Mann springt sofort auf, bückt sich und sorgt für die ordnungsgemäße Platzierung des Werkes. Der Mann ist kein anderer als Horst Eckert selbst, wie ich vorbeieilend im linken Augenwinkel erkenne. Schade, hätte gerne ein paar Takte mit ihm gesprochen. Aber Anobella, die im Cafe der Verlage auf mich wartet, gilt als Pünktlichkeitsfanatikerin, ich muss mich beeilen.

14.30: Ich habe es pünktlich geschafft. Keine Spur von Anobella. 14.31: Eine atemberaubende rothaarige Schönheit (also nicht Anobella) geht an mir vorbei. Ganz in Schwarz. High Heels. Schlagartig vergesse ich, warum ich hier bin.

14.35: Anobella weckt mich aus meinen Tagträumen. „He! Da bin ich! Pünktlich wie immer!“ – Ich verkneife mir den Widerspruch und überlasse mich der Sprachlosigkeit, welche mich beim Anblick der Wiesbadener Krimischaffenden gepackt hat. Sie trägt entgegen des skizzierten modischen Trends eine über den Knien unsachgemäß abgeschnittene Jeans, dazu gelbe Lackstiefel, die unter den Knien enden. Die dadurch unbedeckt bleibenden Kniescheiben wollen als erotisches Moment nicht so recht überzeugen. Gleiches gilt für das pinkfarbene T-Shirt am Oberkörper der bekennenden Hessin. „What you read is what you eat“ steht dort in grellblauen Buchstaben.

Anobella zieht mich – mir stockt der Atem – zum Tisch der rothaarigen Schönen. „Das ist Henrike Heiland!“, stellt sie vor. Wir geben uns die Hand. Fünf Minuten lang.

„Können wir jetzt was trinken?“ unterbricht Anobella, leicht gereizt, die Höflichkeitszeremonie. Können wir. Theoretisch. Doch im Cafe der Verlage gibt es Kaffee nur für Verlage. Wir schauen uns an. Wir sind Krimischaffende, keine Verlage. Die Verlage leben von uns, aber sie verweigern uns die Getränke. Verbittert ziehen wir weiter. Nach odyseeischen Wanderungen erreichen wir ein Cafe, das auch an NormalautorInnen Getränke ausschenkt.

„Ein Mineralwasser“, bestellt Henrike Heiland, „aber bitte laktosefrei.“

Anobella schaut mich an. Gereizt.

„Du mit deinem Wasser!“, zischt sie der vielversprechenden Nachwuchsautorin (euphorische Besprechungen ihrer Werke auf diesem Blog folgen!) zu und bestellt selbst „Kaffee! Und Kuchen! Ich zahl heute alles!“ Der Berichterstatter schließt sich an.

Austausch erster Floskeln. Natürlich habe ich ALLES von Henrike Heiland gelesen (stimmt nicht), natürlich ist alles wunderbar (stimmt natürlich!), natürlich finde ich es toll, das mit dem laktosefreien Wasser, natürlich ist es auch toll Kaffee zu trinken (Anobella lockert den Griff um meinen Hals).

„Geh mal eine rauchen, wir müssen jetzt über Frauenthemen sprechen“, fordert mich Anobella rüde auf, eine rauchen zu gehen. Ich gehe eine rauchen. Als ich zurückkomme, ist Ano“ich zahle alles“bella beim zweiten Kaffee und dem dritten Stück Kuchen. Der Blick, den sie mir entgegenwirft, kann nur als finster bezeichnet werden.

„Du riechst nach Rauch“, faltet sie mich zusammen, „wir mögen das nicht. Müsstest du nicht längst am Bahnhof sein?“

Ja, wenn ich es mir recht überlege… Ich verabschiede mich von Henrike Heiland, gebe ihr wieder die Hand (fünf Minuten), verabschiede mich auch von Anobella („Tschüs. Man sieht sich.“). Die drückt mir die Rechnung in die Hand. „Bezahl das mal da vorne an der Kasse. Ich glaub, ich hab meinen Geldbeutel vergessen.“

Seufzend opfere ich einen Zwanziger und quäle mich durch die Massen. Nächstes Jahr werde ich wieder dabei sein. Es hat sich gelohnt.

30 Gedanken zu „Messebericht 2007“

  1. Noch einmal zum Mitschreiben: Ich bin NICHT reich und berühmt mit meinen Büchern wie ihr. Um mein karges Auskommen zu sichern, muss ich ARBEITEN! In eine FABRIK! Jawohl!

    Und Henrike hat nicht…? Das ist ja typisch. Erst fleht sich mich an, ich möge doch bitte, bitte kommen und dann vergisst sie mich. Naja, nachdem sie DICH kennengelernt hat.

  2. Versteh ich, Jürgen. Ich wäre auch nicht hingegangen, aber mein POOL wurde gestern gesäubert und allein der Gedanke an einen Tag in meiner Villa OHNE POOL…(den ich mir übrigens aus den Honoraren des Paprotta-Bändchens zugelegt habe).

    bye
    dpr

  3. Das Einzige, das stimmt, ist das mit der rothaarigen Schönheit, die uns im Café erwartete. Ansonsten war ich pünktlich (wie immer von dpr mit Klauen und Zähnen von seinen übrigen Bekannten ferngehalten) und hatte meine neue Jeans an.
    Bluse locker geknöpft.
    Henrike trank WIEDER eine Flasche Wasser, während ich nur einen Kaffee hinkriegte.
    Wie sich Astrid gegen DPR durchsetzen konnte, ist mir ein Rätsel. Mir hat er die Rechnung vom Tisch geklaut. Auch Henrike versuchte, ihm noch ein paar Euro zuzustecken und es kam zu einer Rangelei an der Kasse.
    Dann haben wir dem orientierungslosen Saarbrücker den Ausgang gezeigt („Wo muss ich denn jetzt hin?“, fragte er, unter dem Ausgangsschild stehend) und gingen zu Lübbe. Wir machten es uns im Presseraum bequem „Anobella ist von der Presse!“, sagte Henrike. Das war gut, aber nicht gut genug. Keine drei Minuten später zeigte uns Blacky Fuchsberger, wo der Hammer hing.
    Aber draußen saß es sich auch schön. Ein Agent unterhielt sich angeregt über meinen Schoß mit Henrike.
    *seufzt

  4. 99% aller Gespräche auf der Buchmesse drehen sich um irgend welche Schöße. Traurig, aber wahr. Da muss schon der Chefblogger von wtd kommen, um das Thema auf das Essentielle zu lenken.

    bye
    dpr

  5. *kehrt von ihrem schreibtisch zu dem gefesselt am boden liegenden ludger zurück und pappt ihm einen zettel „schreibe eine FUNDIERTE kritik der tatortkommissarfigur felix stark, die nicht hinter deinen bücherkritiken zurückbleibt“ an die stirn

  6. Wieso sollte Anobellas Schoß nicht essentiell sein? Das sieht SIE sicher ganz anders als DU CHEFBLOGGER.

    Ludger
    *ist ganz nah dran
    **das mit dem rauchenden Krimipapst wusste ICH schon im Frühjahr
    *** immmer einen Tick voraus

  7. *zieht Anobellas Zettel von der Stirn: „schreibe eine FUNDIERTE kritik der tatortkommissarfigur felix stark, die nicht hinter deinen bücherkritiken zurückbleibt“ – Wer ist Felix Stark?

  8. Siehst du, Ludger, DESHALB mag ich es nicht, wenn du hier STÄNDIG über Schöße etc. schreibst. Jetzt macht sogar schon JL anstößige Bemerkungen…

    bye
    dpr
    *keep my blog clean!

  9. ihr fangt in puncto tatort immer an zu rudern, sobald ihr konkret werden sollt. da werden die herren kritiker ürgendwie allgemein und fabulieren ins blaue hinein: der fahnder sei besser als der tatort (belege und beweise für die these bleibt man schuldig), der polizeiruf 110 sei besser als der tatort (belege und beweise für die these bleibt man schuldig) und der alte tatort sei besser als der neue (belege und beweise für die these bleibt man schuldig). übrig bleibt nur eine diffuse bräsigkeit dem medium fernsehen gegenüber.

    *hakt das thema tatort hier ab
    **gut gelaunt

  10. Geht das jetzt ÜRGENDWÜ gegen mich? *argwöhnisch — Vergiss nicht, wer dir gestern KAFFEE UND KUCHEN (beides laktosefrei) spendiert hat!!!

    bye
    dpr

  11. Okay. Dann ziehe ich
    a) Zurückherzen
    b) Wünschen einer guten Reise und
    c) Hoffen auf intakte Rückkehr
    hiermit offiziell zurück.

    bye
    dpr
    *legt die Punkte auf Wiedervorlage

  12. Rauchender Krimipapst im Mai??? (Bild etwas weiter unten) Das war letztes Jahr!!!
    Guckst du
    hier:

    Liebe Grüße
    Silvia

    die die Buchmesse erst vor sich hat, weil das Geld nur für eine Buchhandelstour per Bus reichte…

  13. Es handelt sich, liebe Silvia, ganz eindeutig um eine Schokoladenzigarette, die TW als Frauenbetörungsmittel hier – erfolglos! – eingesetzt hat. Im übrigen war das Trio HH, Fräuleinchen A. und dpr auf seiner Suche nach Kaffee auch am KBV-Stand gestrandet – und wurde unbefriedigt wieder weggeschickt. Ein Skandal, der sich in den nächsten Monaten in zahlreichen Verrissen von KBV-Produkten niederschlagen wird.

    bye
    dpr

  14. So, KBV-Stand abgebaut. Zurück von der Messe. Pures Koffein rollt durch meine Adern. Hektoliterweise Kaffee getrunken, damit das Schnorrergezücht nix abkriegt. Kein Mensch kann sich ausmalen, was ich jetzt durchmache. Sechs Nächte werde ich nicht schlafen können. Mindestens. Aber dpr, Red Rike und Ano…wer? von dannen schleichen zu sehen, ermattet, ermüdet, unbefriedigt, ja, völlig dekoffeiniert, das war es allemal wert.
    DAS VERSUCHEN DIE NÄCHSTES JAHR NICHT NOCHMAL! Nebenbei: Wörtche hat die Schokoladenzigarette tatsächlich geraucht! Unglaubliche Sauerei …

  15. Allgemeiner Messetenor 2007: „KBV-Kaffee? Dünn, dilettantisch gebraut und überteuert. Genau wie die KBV-Bücher.“ Zusatzkommentar Wörtche: „Und dann zwingen sie einen auch noch, Schokoladenzigaretten aufzurauchen…“

    bye
    dpr

  16. Unser Geniestreich war es, aus den verschmurgelten Schokoladenzigaretten etwas zu köcheln, das aussieht wie Kaffee. Kaum einer hat’s gemerkt. Gut, dass dpr nichts getrunken hat. Der hätte es gewiss aufgedeckt, der Fuchs.
    KBV arbeitet an weiteren epochemachenden Rezepten …

  17. Der Coup ist Ihnen gelungen! Könnten Sie uns freundlicherweise den Rohstoff nennen, aus denen Sie die KBV-Krimis köcheln? Vielleicht Telefonbücher?

    fragt ja nur
    dpr
    *Motto: Nieder mit allen Verlagen, die mir den Kaffee verweigern!

  18. Die Krimis kleben wir aus alten Frittentüten und Praktikerbaumarktprospekten zusammen. Wie da immer wieder die störenden Buchstaben reinkommen, ist uns ein Rätsel, aber wir arbeiten dran.
    Ich möchte Sie nur darum bitten, sich nicht darüber zu verbreiten. Erfreulicherweise liest diesen Blog ja niemand.

  19. Ich weiß, es kann sehr böse enden, wenn ich meinem Verleger öffentlich widerspreche, aber bei mir waren es keine Frittentüten, sondern Pizzakartons. Wegen des Duftes von Oregano und Käse…

  20. Ja, Bester, dieser Blog ist völlig privat. Ich kommentiere mich hier unter ständig wechselnden Namen (Anobella, Ludger usw.) selber, heute auch als „Ralf Kramp“, der als „Kaffeeverweigerer“ in die Geschichte der Buchmesse eingegangen ist.
    @Silvia: Deine Bücher duften nach Käse? Pass auf, dass jetzt hier niemand etwas Freches behauptet…

    bye
    dpr

  21. Alles geklärt.
    Nächstes Jahr rauchen wir die Friedens-Schokoladenzigarette. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die legendäre Kaffeeverweigerung in Wirklichkeit im Esoterikzentrum von 3.1 stattgefunden hat. dpr werden wohl die Räucherstäbchen ein wenig die Sinne vernebelt haben. Kann ja mal passieren.
    Die Satisfaktion besteht übrigens in einer Reihe hymnischer Lobpreisungen zu diversen KBV-Titeln in den nächsten Wochen. Finde ich wirklich großzügig, dpr.
    Und nächstes Jahr dann Kaffee für alle!

  22. Ich bezweifele diese Darstellung, will sie aber nicht völlig ins Reich verlegerischer Phantasie(!) verweisen. Sollte es zutreffen, dass ich mich getäuscht habe, so weise ich alle Schuld daran den mich begleitenden Damen zu, deren geballte Weiblichkeit jeden Mann an den Rand der Umnebelung bringen kann. Mich besonders…

    bye
    dpr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert