Sybil Volks: Café Größenwahn

(Auch für die folgende Arbeit unseres Rezensenten-Azubis Jochen übernehmen wir, wie immer, keinerlei Verantwortung. Erzürnte und kommentarmäßig enthemmte LeserInnen mögen bitte berücksichtigen, dass hier ein noch junger und unreifer Mensch seine ersten Schritte auf das glatte Parkett der kritischen Analyse setzt. Dabei sind schon ganz andere auf die Schnauze gefallen, wir nennen jetzt aber keine Namen.)

Das also ist der Roman, der einen kleinen →Rezensionsaufruhr auf der „Krimi-Couch“ verursachte. Einige LeserInnen fühlten sich bemüßigt, das kleine, unscheinbare Buch vor den bösen Worten des Rezensenten in Schutz zu nehmen. Das sei ihnen unbenommen – ob mit der Autorin bekannt oder nicht, sei dahingestellt; aber es ist schon erstaunlich, mit welcher Vehemenz da verteidigt und nach Rezensionen verlangt wurde, die eher den Charakter von Schulaufsätzen besitzen. Und damit haben wir einen schönen Bogen zur eigentlichen Besprechung geschlagen.

Denn wie ein Schulaufsatz kommt „Café Größenwahn“ daher: Leistungsstand etwa 11. Klasse, die Verfasserin der klassische Strebertyp. Thema: Wie stelle ich mir das Künstlerleben in Berlin zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts vor? Da wird lustig Namedropping betrieben – gipfelnd in einem Hilfspathologen namens Gottfried Benn – mit wenigen Ausnahmen (Else Lasker-Schüler) ohne großartige Bedeutung für die zu erzählende Geschichte. Die ist bemerkenswert schlicht: junger Mann vom Land, voller hochfliegender künstlerischer Träume, kommt aus Geldmangel auf die schiefe Bahn, verursacht versehentlich zwei Todesfälle, begeht dann – mit plattem Verweis auf Friedrich Nietzsche – bewusst einen Mord, verarbeitet die Geschichte zu einem erfolgreichen Theaterstück, nur um bei der Premiere… aber das verrate ich nicht. Obwohl es nicht viel zu verraten gibt: der viel zu eilig herbeigeführte Schlussakt möchte nur zu offensichtlich (endlich?) Krimistandards erfüllen, scheitert dabei aber auf der ganzen Linie, aufgrund seines eigenen minderbemittelten Konstrukts – eine dermaßen hanebüchene Auflösung grenzt schon an Leserverletzung. Da hüpft der Kasper aus der Kiste und schreit: „Das Krokodil ist’s gewesen, weil es so komisch kuckt!“ DAS ist tatsächlich der Start ins wenig spannende Finale, das genauso morsch ist wie das Eis, auf dem es stattfindet.

Als Krimi ist „Café Größenwahn“ größtenteils Etikettenschwindel – denn „Kappes zweiter Fall“ wie der Untertitel vollmundig verkündet, müsste eigentlich „Hoffmanns Erzählungen“ heißen, denn der blass figurierte Polizist Kappe kommt kaum wahrnehmbar vor – einzig prägende Sentenz: er schnarcht im Theater -, während Eugen Hoffmanns Scharaden und Erlebnisse in der großen Stadt weit ausführlicher ausgebreitet werden. Das möchte mit historischem Lokalkolorit brillieren, doch hinter allen Ecken und Enden lugen nur Hochglanzbildbände und imaginäre Fleißkärtchen hervor, die Volks vermutlich zur Erschaffung „ihres“ Berlins des Jahres 1912 benutzt hat. Denn sie begeht den schweren Lapsus, die Sprache des Romans einerseits der naiven Landpomeranze Eugen Hoffmann anzupassen, sowie betont altertümlich zu schreiben. Diese Mixtur aus Nostalgie und Simplizität macht den Roman zwar leicht lesbar, lässt aber all das vermissen, was eine eigene Identität ausmachen könnte. Obwohl sich der Vergleich nahezu verbietet: Autoren wie Max Allan Collins, Mark Frost und selbst Stuart Kaminsky haben gezeigt, wie Kriminalromane aussehen können, die historische Fakten und literarische Fiktion vermischen. Aber jeder dieser Autoren hat seine eigene Sprache – mal besser (Collins, Frost) mal schlechter (der immer noch ordentliche Kaminsky) -, mit der er auch umgehen kann. Sybil Volks versteckt sich hinter Angelerntem. Das sie es besser könnte, lassen vereinzelte stimmungsvolle Passagen vermuten, zudem hat sie einen gelungenen Gag zu bieten: denn das Schiff auf dem der Musiker Fritz anheuert, um dem untergehenden Glanz des Café Größenwahn zu entfliehen, und ein neues Leben zu beginnen, ist kein anderes als die Titanic. Doch leider wird diese nicht eben filigrane, aber passende Allegorie von Frau Volks im Verlauf des Romans zu Tode geritten.

DARÜBER gab’s also einen kleinen Aufstand beflissener Menschen. Der viel und mit dem Holzhammer beschworene Gerhard Hauptmann schweigt weise dazu, doch ein fröhlicher Shakespeare (ebenfalls Dramatiker) verkündet lächelnd: „Viel Lärm um Nichts.“

Sybil Volks: Es geschah in Berlin 1912 – Café Größenwahn. Kappes zweiter Fall. 
Jaron Verlag 2007. 208 Seiten. 7,95 €

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