Eine Anthologistin

homestory.gif

Schon die mit Jugendstilvillen prunkvoll bestandene Straße in einem Mainzer Nobelviertel flößt Respekt ein. Hier, das merkt man sofort, wohnt das Geld. Und gegenüber dem Seniorenstift „Mit den Dritten beißt man besser“, einem idealen Versuchsfeld für die aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenkenden ZDF-Redakteure, da wohnt SIE: Christiane G., Herausgeberin, The Queen of Kurzkrimi, seit Neuestem auch Anthologistin und diplomierte Suspenseexpertin.

Unsere Gastgeberin empfängt uns in ihrem parkähnlichen Garten. Sie trägt ein langes geblümtes Kleid, der Großwetterlage stilsicher angepasst, eine Frau in der Blüte ihrer Schaffensjahre, durchaus apart, wenn man diesen Typ mag. Es gibt Kaffee, Wasser und lange Schokoladenstangen als süßliche Inspirationshilfen beim nun folgenden Interview.

Wtd: Frau G., Sie sind eine der preisgekröntesten Kurzkrimiautorinnen der Republik. Wie kamen Sie auf die Idee, sich auf das eher schmuddelige Feld des Herausgebertums zu wagen, dorthin, wo ansonsten eher gescheiterte und schlüpfrige Existenzen alte oder „exotische“ Krimis herausgeben?

G.: In der Tat, der Schritt ist mir nicht leichtgefallen. Als preisgekrönteste Autorin der Republik war es mir jedoch ein Herzensanliegen, das Genre des Kurzkrimis von diesem Ruch des Dubiosen zu befreien. Wer, wenn nicht ich, weiß, was Kurzkrimi ist?

Wtd: Sie sagen es. Welches Konzept liegt „Hell’s Bells“, ihrer im Poetenladen Verlag erschienenen Anthologie zugrunde?

G.: Nun, ich habe mich an Alfred Hitchcock erinnert. Das heißt präzise: An diese eine Szene aus „Psycho“, wo Anthony Perkins das Glas Milch die Treppe hochträgt und die Milch ist von innen beleuchtet, so dass man als Zuschauer sofort denkt: Aha, das ist der Suspense! Mit dieser Milch stimmt etwas nicht! Die sollte man im Auge behalten! Ich habe meinen AutorInnen aufgetragen, eine ähnliche Hochspannung mit möglichst einfachen Mitteln zu erzeugen.

Wtd: Ja, wir haben uns auch schon gewundert, warum in den Geschichten der Anthologie andauernd Milch getrunken wird.

G.: Sehen Sie! Das war beabsichtigt! Ein Kurzkrimi muss seine LeserInnen SOFORT PACKEN! Dabei spielt es keine Rolle, ob Alkoholika oder gesunde, naturbelassene Lebensmittel konsumiert werden! Aber DAS LICHT MUSS LEUCHTEN, sage ich immer! Das Licht des vagen Verdachts, die Funzel des Suspense, der Kronleuchter des leisen Rieselns kleiner Eisbröckchen den Rücken runter…

Wtd: Apropos… einige Kritiker vermissen in den Geschichten der Anthologie den Sex. Trifft Sie dieser Vorwurf?

G.: Überhaupt nicht. Ich meine… ich selbst habe gerne Sex. Das heißt: Ich hätte gerne welchen, äh, ich meine, im Krimi, wenn es nicht anders geht, dann eben Sex, meinetwegen auch ohne Glühbirne in der Milch. Das ist Suspense der anderen Art, sozusagen, so wie Kochrezepte in einem Krimi, ja, Sie verstehen? Ich persönlich mag es nicht, wenn bei der Zubereitung der Mahlzeiten kopuliert wird und beides, Kochen und Lieben, von akkuraten Rezepturen begleitet wird, also man nehme 200 Gramm Mehl respektive eine bequemes französisches Bett… Wie lautete noch mal die Frage, bitte?

Wtd: Äh, nicht so wichtig. Wichtiger erscheint uns, dass Sie auch an einem Langkrimi arbeiten sollen, wie die Szene raunt. Könnten Sie uns…

G.: Nein! Das ist alles topsecret, damit möchten wir die Fachwelt überraschen. Ich kann aber versprechen, dass wieder sehr viel getrunken werden wird. Aber diesmal Wein.

Wtd: Das macht Lust auf mehr, wir sind schon sehr gespannt. Wie sind Sie mit den bisherigen Reaktionen der Krimikritik auf ihre Anthologie zufrieden?

G.: Sie sind fa-bel-haft! Ich bin gewiss nicht eitel und manchmal ist mir das Lob ganz einfach zu viel und ich frage mich: Womit habe ich das alles verdient? Wer bin ich eigentlich? Was kann ich wirklich? Aber ich weiß ja, wer ich bin und was ich kann, das braucht mir kein dahergelaufener Rezensent, ein solches Quadratarschloch, wenn Sie wissen, was ich meine, zu sagen, und Ahnung, ja, AHNUNG!, haben die doch nicht, und wieso fragen Sie mich ausgerechnet das, Sie sind doch auch einer von denen und nur Sex im Kopf, schauen Sie sich doch mal an, da vergeht einem doch der Sex und passen Sie auf den Stuhl auf, der ist für zierlichere Körper gedacht und nicht für Ihre Aufgedunsenheit … aaaargh… was essen Sie eigentlich den ganzen Tag, das heißt: Machen Sie auch noch was anderes als essen und dummfragen und wenn Sie nicht so-fort mein Grundstück verlassen, lernen Sie mal meinen Schäferhund kennen – Hasso? HASSO! Bei Fuß! Fass!

Wtd (in Eile): Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

G: Ich kriege noch 100 Euro für den Stuhl von Ihnen.

10 Gedanken zu „Eine Anthologistin“

  1. Ein wunderbares Interview! Das sollten wir im Poetenladen unter Presse stellen!

    *lacht
    **baut „Quadratarschloch“ in ihren Winzerkrimi ein
    ***liefert Foto vom kaputten Korbstuhl nach
    ****hat irgendeiner ein altes Laptop übrig?
    *****zeigt ihr leeres Portemonnaie

  2. „durchaus apart, wenn man diesen Typ mag“

    Also das, dieses „wenn man diesen Typ mag“, darf man nie, niemals über eine Frau sagen! Das denkt man sich, aber man schreibt es nicht. Kein Wunder, wenn die Inverviewte da beim Sex ins Stottern kommt, wenn der Interviewer in Gedanken schon derart destruktive Äußerungen plant. Da kommt die negative Energie rüber, da kann man tun, was man will.

    * ist entsetzt
    * und sprachlos
    * freut sich schadenfroh, dass wenigstens der Sessel sich gerächt hat
    * glaubt aber, dass er angesägt war

  3. Ja, liebe Frau G., ein wenig Werbung für Ihre Antho kann nie schaden! Und, liebe Frau Krimi, du hast ja so bitterlich recht! Ich verstehe einfach die Frauen nicht! Immer mache ich alles falsch! Alle wenden sich enttäuscht von mir ab! Das ist tragisch. Und natürlich war der Sessel angesägt. Die Frau Anthologistin hat wohl Probleme mit schönen Männern!

    bye
    dpr

  4. Du hast einen Schäferhund zum Bruder? Geht das in Hessen? – Okay, ich seh gerade in meinen Notizen, dass der Schäferhund „Harro“ heißt. – Du hast nicht zufällig noch einen zweiten Bruder?

    bye
    dpr

  5. Darf ich mal ein bisschen Klugscheißen:

    Das mit der Milch ist nicht Psycho, sondern „Suspect“ und folglich ist es auch Cary Grant, der das beleuchtete Glas die Treppe hochträgt…

    Liebe Grüße
    Silvia

  6. Das ist faktisch völlig richtig, Silvia. Da siehst du wieder einmal, mit welcher kriminellen Allgemeinbildung man heute Anthologistin werden kann. Es ist eine Schande…

    bye
    dpr

  7. Ja, Margit,da muß ich Dir Recht geben. Für einen Außenstehenden liest sich das recht befremdlich.
    Schon bei Frau Chaplet mocht ich ihm nicht folgen.

    Das ist nicht putzig, dpr, das ist überheblich. Von ihr.

    Henny

  8. Das mag sein, Henny. Aber ich habe mir, als ich das las, einen Empfänger von Hartz IV vorgestellt, der tatsächlich glaubt, sich mit dem Schreiben von Kriminalromanen mehr als die ihm zustehenden 351 Euro plus Wohn- und Heizzuschuss verdienen zu können. Und dabei habe ich herzlich bitter gelacht und fands putzig. Aber vielleicht muss ich kurz erklären, was ich alles putzig finde. Zum Beispiel die Annahme, man könne die Armut durch das Senken von Steuern bekämpfen. Die wirklich Armen zahlen keine Steuern. Und die von Armut Bedrohten zahlen so wenig Steuern, dass sie bestenfalls etwas weniger von Armut bedroht werden, aber immer noch genug, um arm zu werden. Putzig finde ich auch, dass wir seit Jahren mit allerhand Scheindebatten von den wirklichen Problemen abgelenkt werden – und uns ablenken lassen. Von Frau Eva mit den Autobahnen über die Rechtschreibreform bis heuer zur angeblichen Diktatur der Alten. Da hoppeln bei mir ganze Heerscharen rosaroter Plüschhäschen über die Erdscheibe, so verrückt ist das. Und genau so etwas finde ich putzig. Oder grotesk. Oder irre oder einfach: verrückt.
    Und dennoch: Das Schreiben von Kriminalromanen scheint eine gute Möglichkeit zu sein, sich aus diversen Prekariaten zu befreien. Man hat keinen Schimmer von Sprache, schreibt aber so etwas wie „Literatur“. Man hat sich und alle anderen ein Leben lang tödlich gelangweilt – und bastelt jetzt Hochspannungsthriller. Man interessiert sich einen Dreck für die Gesellschaft – und schreibt „Gesellschaftsromane“. Das hebt ganz schön aus der geistigen Armut.

    bye
    dpr
    *und der Stuhl war DOCH angesägt
    **Frauen können grausam sein

  9. Guten Morgen dpr,

    Du diskutierst auf der Inhaltsebene. Ich wollte nur die Beziehungsebene hervorheben.

    Beste Grüße

    Henny

    *so denken nun mal Frauen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert