Zufälle gibts nicht. Zwei Stunden Zugfahrt. Da kann man in Ruhe nachdenken. Über Radiofrequenzen und Retrogrades, über schrille Cover und Marktmechanismen. Einsteigen.
Und dann starrt man zwei Stunden lang auf das Cover des Krimis, den das Gegenüber liest und sich wie eine Mauer vors Gesicht hält. Simon Beckett, „Die Chemie des Todes“. Sensationell schlichtes Cover: Weiß mit schwarzer Trauerumrandung, darauf dick und schwarz Autorenname und Romantitel. Also keine spärlich bekleidete Chemielaborantin, die lasziv eine Petrischale schwenkt.
Später beim Termin. Es gibt eine Führung durch den Recyclinghof, wo alte Kühlschränke und Waschmaschinen, Fernseher und Computer verwertet werden. Wo noch Hoffnung besteht, wird die Elektrik repariert und das nun wieder funktionstüchtige Produkt im angeschlossenen Second-Hand-Kaufhaus für wenig Geld angeboten. Mit Garantie! Der Rest wird ausgeschlachtet, man hält sich eine ganze Ersatzteil-Lagerhalle. — Warum denke ich instinktiv an Hard Case Crime?
In der Werkstatt. Ah! Mein Begleiter springt sogleich verzückt zu einem uralten Zweispur-Tonbandgerät. Das es das noch gibt! Nostalgische Gefühle. Und da! Ein Radio mit Röhrenverstärker! Genau! Das brauche ich noch für meinen Aufsatz! Diese wunderbaren Geräte mit der eingebauten Verzerrung, gar kein Vergleich zu den klinischen Transistoren (die sich, nebenbei, bei Elektrogitarristen nie durchgesetzt haben. Die schwören nach wie vor auf Röhren).
Rückfahrt. Auf der Gepäckablage liegt eine ältere Ausgabe der „Rheinpfalz“. Na ja. Mal reinschauen. Die haben sogar ein Feuilleton. Und was lese ich da? Graffitikunst sei längst aus dem illegalen Underground aufgetaucht und zum Liebling von Sammlern und Museen geworden. Wieder denke ich an Krimis und Retro und Tradition und Geschäftsmaschen.
Nein, es gibt keine Zufälle. Nur unendliche Assoziationsketten.
dpr