Als in Theorie und Praxis der Kriminalliteratur Tätiger kann ich mich über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen. Ein wenig anders sieht es beim materiellen Lohn für diese Arbeit aus. Flüchtig überschlagen, hat mir die Produktion von drei Krimijahrbüchern, einem Kriminalroman, mehreren herausgegebenen „alten Krimis“, etlichen Petitessen in Sammelbänden sowie geschätzten 2000 Blogartikeln inzwischen eine Summe eingebracht, die sich an zwei Abenden in einem durchschnittlichen Restaurant mühelos verbraten ließe. Vorausgesetzt, ich speise dort alleine.
Soviel zum „Wert der Arbeit“ und zur Debatte um Mindestlöhne. Aber ich beklage mich ja gar nicht und fühle mich auch nicht ausgenutzt oder gar dazu animiert, mein Tun ob seines offensichtlich desaströsen materiellen Effekts als ein entwürdigendes zu bezeichnen. Allerdings: Etwas anderes bleibt mir auch kaum übrig, will ich die Herausforderungen der nächsten Monate bewältigen. Weitere alte Krimis warten darauf, gut editiert und kommentiert das Licht der Welt zu erblicken (und was gibt es Schöneres, als sich sagen zu können: Da hast du wieder eine / einen aus dem Vergessensein gerissen); das Krimijahrbuch 2009 muss unter Hochdruck produziert werden (und es WIRD produziert); das just abgeschlossene Krimimanuskript ist natürlich noch gar nicht abgeschlossen; mir graut schon vor dem nächsten Lektüredurchgang. Und so weiter.
Zum Trost ließe sich noch anmerken: Auch diejenigen, die von meiner so ziemlich unentgeltlichen Arbeit profitieren, profitieren davon nur SYMBOLISCH, nicht in Geldeswert. An mir ist noch keiner reich geworden, wer mich ausbeutet, beutet zugleich sich selbst aus. Wir alle leben von ideellem Manna, trinken den berauschenden Wein des Geistes – und wachen jeden Morgen mit einem fürchterlichen Kater auf. So ist das. So muss es wohl sein. So etwas ändert sich anscheinend nicht.
Befindet man sich in guter Gesellschaft? Aber immer! Die Geschichte platzt vor Menschen, die sich totgearbeitet haben, nur damit sie nicht verhungern mussten. Heute stehen sie in hübsch aufgebundenen Literaturgeschichten, müssen für Dissertationen herhalten, die jemand anzufertigen hat, um in den Staatsdienst zu gelangen und dort sein Auskommen zu finden. Auch die wenigsten, wie man inzwischen weiß. Noch einmal: So ist das. Und weil das so ist, begebe ich mich nun, nach meinem geschätzt 2001. Blogeintrag (vielleicht auch erst der 1894.), wieder an die brotlose Kunst. Gib dem Herrn Temme ein Gesicht, ruft es in mir, schreib ein schönes Nachwort, werde dem Mann gerecht. Er hat nichts mehr davon, du auch nicht. So ist das.
* schickt dir eine Kiste Weingeist – oder Geistwein
Fällt eigentlich nur mir auf, dass Deine Beitrage hier, lieber DPR, immer larmoyanter werden? Hat die große Sinnkrise zugeschlagen?
Es wäre zwar jedem zu wünschen, Geld mit dem zu verdienen, was einem Spaß macht, aber Du doch nicht im Ernst so naiv sein? Wenn Du Geld verdienen willst, dann darfst Du weder Krimijahrbücher herausgeben, noch Krimis schreiben oder gar alte Krimis herausgeben, sondern musst Dich auf einem einem langweiligen Job herumquälen. Und nicht immer mehr Kübel von Selbstmitleid über den Bloglesern auskippen.
Sagt eine, die sich brav in einem völlig uninteressanten Job herumquält.
Liebe Grüße
Silvia
Völlig uninteressanter Job? Jetzt bist du aber ziemlich larmoyant, liebe Silvia. – Nein, ich fühle mich gut. Ich werde nicht ausgebeutet. Die Arbeit macht mir Spaß. Aber gewisse schlichte Wahrheiten muss man manchmal aussprechen – und bist nicht du selber mal hart angegangen worden, weil du die Frechheit besitzt, für viel Geld aus deinen Büchern zu lesen, die dir doch schon genug eingebracht haben? Und bist du nicht bei einem „großen Publikumsverlag“, der dir wahrscheinlich erst einmal 100.000 Vorschuss bezahlt hat? Tja… Aber ich werde mich bemühen, die letzten zwei Monate von wtd ohne übermäßige Larmoyanz zu überstehen. Wird schon gehen…
bye
dpr
Ihr redet ja immer davon, dass das Feuilleton auf dem Krimiauge blind ist. Selbst wenn man sich in den Feuilletons nicht auskennt, scheint mir ein schlagender Beweis dafür zu sein, dass keins deine Rezensionen einkauft. Das ist so DÄMLICH, dass einem die Worte fehlen.
100.000 Vorschuss?
* schreibt einen Krimi
Obwohl: wann soll ich das denn alles zurückzahlen?
** liebt auch deine Larmoyanz
Lieber DPR,
schön zu hören, dass es Dir persönlich doch ganz gut geht – und das meine ich ohne jegliche Ironie. Wenn Deine Vorstellungen von Verdienstmöglichkeiten durch Lesungen und gar Vorschüsse von Publikumsverlagen allerdings derart hoch sind, kann ich Deinen Frust schon ein wenig verstehen.
Wenn man nicht gerade ein paar Cent über Hartz-IV Level leben möchte (ich gehöre nicht zu den Leuten, die glauben, ein „Künstler“ müsse darben), dann sind diese Honorare allenfalls ein Zubrot zu meinem Sekretärinnengehalt. Damit kann ich dann allerdings auch ganz zufrieden sein.
Liebe Grüße
Silvia
Jetzt mal Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung beiseite, liebe Silvia. Ich fühle mich prima. Echt. Ich gehe einer ebenso sinnvollen wie brotlosen Beschäftigung nach. Wusste ich vorher. Aber das sollte uns nicht daran hindern, bisweilen die schreckliche Wahrheit auszusprechen: Von geistiger Arbeit, solcher also, die nicht das Vollidiotentum bedient, kann man in der Regel nicht leben, es sei denn, man hat einen der gutdotierten Alibijobs in der Kulturindustrie. Dies ändern zu wollen ist etwa so illusorisch wie die Vorstellung, in den USA könnten Banken verstaatlicht werden (ach so: wir hatten ja keine Ironie vereinbart). Dennoch: Ich bin trotz allem der Überzeugung, dass unsere Gesellschaft auf zwei soliden Pfeilern ruht: Kriminalität und Denkfaulheit. Und dass die eigentliche, staatstragende Funktion von Mainstream-Kriminalliteratur (von anderen Kulturprodukten ganz zu schweigen) darin besteht, genau diese beiden Pfeiler in ihrem Bestehen zu schützen. Das ist kein Affront gegen den Mainstream – sehr wohl einer gegen den dummen Mainstream, der Unterhaltung als geistiges Betäubungsmittel missbraucht. So gesehen ist die auch mir Übelkeit erregende Vorstellung des darbenden Künstlers nur konsequent. Und sie ist ehrenwert angesichts der Verhältnisse.
bye
dpr