Die Idee ist allerliebst. Man nehme die klassische Bildergeschichte „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch und schreibe einen Krimi drum herum. Im Wortsinn, denn die Originalgeschichte druckt man häppchenweise gleich mit ab, schließlich ist Wilhelm Busch schon mehr als 70 Jahre tot, mithin „gemeinfrei“.
Ein „Max und Moritz-Krimi“, kein Roman, eher eine längere Erzählung mit Elementen der Novelle, vom Umfang her Andrea-Maria-Schenkel-Klasse, ansonsten jedoch, das erwartet man jedenfalls, putzig und lustig.
Schon nach wenigen Seiten wird man an Manfred Wieningers Detektiv Marek Miert erinnert. Auch der Protagonist von „Rickeracke“ müht sich weitgehend erfolglos um zahlende Kundschaft, die seine Schnüfflerdienste in Anspruch nimmt, und stößt man dann auf einen Satz wie
„An seinen schweren klobigen Stiefeln schien noch der Dreck zu kleben, der beim Urknall aufgewirbelt worden war.“,
dann befindet man sich erst recht in Wieningers Kosmos der absurden Vergleiche und vergleichenden Absurdität. Doch halt, kann nicht sein. Wir lesen hier nichts über österreichische Deformationen, wir lesen die Umsetzung einer Geschichte, die längst zum klassischen Bestand des bürgerlichen Humors gehört. Max und Moritz, ich bitte Sie! Da wird unser Detektiv auf einen einsamen Bauernhof beordert, weil dort vier bedauernswerte Hühner kaltblütig nach Lausbubenart grillfertig gemacht wurden. Ein wirklich abgelegenes Gehöft mit seltsamen Insassen, Vater, Mutter, halbwüchsige Tochter, von der Dorfgemeinschaft verspottet und gemieden, Selbstversorger, ziemlich ruppig. Unser Detektiv möchte gerne wieder weg, kann es aber nicht, denn die Brücke, die ihn mit der Außenwelt verbindet, wird natürlich angesägt und kracht unter dem Gewicht des Autos zusammen.
Doch, das ist allerliebst. Der Autor hetzt uns durch sämtliche Streiche der beiden bösen Buben, wir warten mehr oder weniger gespannt auf die finale Geschichte, wenn dann die Hühner die zermahlenen Leichen aufpicken. Aber — so witzig wie die Geschichte von Max und Moritz ist, so witzig ist sie ja im Grunde gar nicht. Man kann sie auch anders interpretieren. Zwei jugendliche Straftäter, die von Diebstahl bis zur schweren Körperverletzung alles begehen, was verpönt ist, werden am Ende zur Rechenschaft gezogen – und erhalten die Todesstrafe. Es gibt allerdings eine weitere, sogar noch unangenehmere Interpretation, und genau auf die läuft Rauchs Text hinaus.
Am Ende seiner Version von Max und Moritz erfolgt ein Bruch. Die Analogie zu Busch wird aufgegeben, aus dem Späßchen wird blutiger Ernst. Den muss man nicht goutieren, er ist aber folgerichtig und erhellend, eine respektable Fallhöhe. Rausch schreibt die Geschichte so fort, wie man sie eben auch lesen kann, und dann wird aus der bürgerlichen Heiterkeit das ebenso bürgerliche Grauen. Was, nebenbei, auch ein hübscher Kommentar zu all den „lustigen Krimis“ ist, mit denen man den Krimimiezen und Superkrimiheinzen die längliche Zeit vertreibt.
„Rickeracke“ jedenfalls schafft es tatsächlich, den harmlosen Spaß und den bitteren Ernst hübsch verpackt unter die Leute zu bringen und damit die verschiedenen Möglichkeiten der Rezeption in einem irritierenden Plot zu vereinen. Wilhelm Busch vom Kopf auf die Füße gestellt. Doch, doch, sehr schön, Herr Autor.
Josef Rauch: Rickeracke. Ein "Max und Moritz" – Krimi.
Verlag M. Naumann 2008. 142 Seiten. 14 €