Wahre Worte

Wem der Samstag längst zum Krimisamstag geworden ist, der weiß, was das Titelmagazin auch heute wieder zu bieten hat: wahre Worte. Christiane Geldmacher, Krimisamstags-Neulingin, interviewt →Christian Linker, den Gewinner des Hansjörg-Martin Kinder- und Jugendkrimipreises 2009.

Sodann verrät uns Chefredakteur Thomas Wörtche, wo →die Krimimusik spielt. Hierzulande jedenfalls nicht (na, warts ab, Freundchen…). „Kriminalliteratur ist bei uns ein Reservat ästhetischer Regression, Einfalt und abverkäuflichen Stumpfsinns geworden.“ Ich verkneife mir jetzt den Hinweis auf Krimikultur, ob e.V. oder nicht, aber recht hat er natürlich. Sachlich geht es weiter mit →Frau Dr. Lehmann, die uns was über Profiler mitteilt. Dass Raymond Chandlers →„Der lange Abschied“ eines der Schlüsselwerke der Kriminalliteratur ist – wir wissen das. Aber auch in seiner gelesenen Version? Eher nicht, findet Jörg Auberg. Einiges auszusetzen gibt es auch an →Stella Duffys „Kindermund“. Der seit neuesten im Großraum Stuttgart weltbekannte Dieter Paul Rudolph erklärt es uns. Einen →Klamaukkrimi aus Luxemburg hat Joachim Feldmann gelesen. Und? Na ja…Und wem das noch nicht genug Klamauk…äh… wahre Worte sind, der stürze sich sofort in seinen Bildungssessel und lese das Krimigedicht. →Friedrich Schiller! Na ja…

9 Gedanken zu „Wahre Worte“

  1. warum, wenn hier schon so viel über mainstream gemeckert wird und gleichzeitig so viele Kenner präsent sind, warum nicht statt eines Vereins eine Plattform für verkannte Autoren gründen, die schlechte Karten bei großen und vielleicht sogar bei kleineren Verlagen haben, da sich das Publikum für ihre Art zu schreiben wenig interessiert. Möglicherweise nicht nur, weil es dem Publikum an Aufklärung fehlt, sondern aus gelebtem Desinteresse. Wenn also eine Existenzgrundlage für Stoff her soll, der bislang vernachlässigt wird, weil nur eine Minderheit ihn liebt… und falls es eine Diskrepanz zwischen den Verlagen (die auf Mehrwert schauen) und den Kritikern gibt (die nur das Gute wollen): Warum bilden dann die Kenner nicht eine Jury, wählen Gutes aus und verlegen es für interessierte Abonnenten. Jeder von denen muss z.B. 100 Euro im Jahr zahlen. Je nach Kassenlage werden ein, zehn oder mehr Werke verlegt. Entweder im Internet per Zugangsberechtigung oder, bei unerwartetem Geldsegen, wirklich gedruckt. Unterschied zum BOD ist die Jury, die eine ähnliche Filterfunktion wie die Verlage ausübt und die Sache für Kunden attraktiver macht. Und das Abo. Ähnliches machen Winzer, die eine Parzelle im Voraus für ein Jahr an Kunden „verkaufen“ und mit dem Kapital schwierige Steillagen (die sonst brach liegen müssten) bewirtschaften und unabhängiger von Handel, Presse und Gastronomie werden. Die Anteilseigner müssen trinken, ob sie wollen oder nicht, kommen vielleicht mit tollem Stoff in Kontakt, den sie warum auch immer sonst nicht angerührt hätten oder aber rächen sich mit Abstinenz im nächsten Jahr. Ach ja: Für Vereinsmeierei gibt es dann auch genug konkrete Aufgaben und Diskussionsstoff. Ist bei den Winzern auch so und die Eigner dürfen sogar auf dem Feld arbeiten. Das wär´s doch: Einmal auf der Tastatur eines künftigen Genies rumhacken oder seine Bücher vorlesen. Alles wiederum Themen für ein oder mehre Zeitschriften.

  2. Das könnte man – mit Hilfe von BOD – auch billiger haben. Die Autoren verlegen wie bisher ihre Bücher und es finden sich Leutchen, die sie lesen und, bei Gefallen, in der IG Krimikultur promoten. Jetzt nur mal so in Unreine gesprochen. Ob sich Leute finden, die so etwa quasi vorfinanzieren, weiß ich nicht. Man könnte auch längere Textauszüge online zur Diskussion stellen; wer will, der darf, wer nicht will, braucht auch nicht. – Aber das funktioniert, wenn überhaupt, nur in einer starken IG Krimikultur. Also nicht nur vorschlagen – mitmachen…

    bye
    dpr

  3. Ach ja, übrigens: Ich hab mich ja schon vor Wochen bereiterklärt, auch bod-Veröffentlichungen (oder solche in kleinen Verlagen)zu lesen und zu rezensieren. Hat bisher erst ein einziger davon Gebrauch gemacht. Und wurde zu recht gelobt…

    bye
    dpr

  4. wenn die Leute sowieso ihre Bücher verlegen, gibt es doch kein Problem. Wozu dann die Unkenrufe über die deutsche Krimiindustrie. Die Bereitschaft Bod&Co-Bücher zu besprechen,bzw. zu fördern hat mich erst auf den Gedanken gebracht. Dann kann man auch gleich einen Alternativ-Vertrieb aufmachen…zu versuchen.

  5. Ich gehöre nicht zu denen, die davon überzeugt sind, jedes belletristische Töpfchen finde irgendwann sein Verlagsdeckelchen. Einiges wird immer über Bord gehen, vielleicht auch nur, weil die Autoren nach der 25. Absage keine Lust / Kraft mehr haben, es zum 26. Mal zu versuchen. Nun ist es aber so, und das muss man ganz pragmatisch sehen: Die Zeiten, in denen abgelehnte Manuskripte in der Schubladen verschwinden MUSSTEN, sind vorbei. Ich kann es für wenig Geld selbst verlegen oder, wenn ich das nicht will oder tatsächlich NICHT kann, einfach ins Internet stellen, sei es komplett oder mit einer großzügigen Leseprobe. Von einem Autor, der sein Werk für gut genug hält, gelesen zu werden, erwarte ich diese Initiative.
    Was Sie, mein lieber Kle, nun fordern, wäre folgendes: Man schickt sein Manuskript an eine Stelle namens IG Krimikultur und erwartet, dass dort die große Begeisterung ausbricht und das Ms verlegt wird. Sie wissen nun so gut wie ich, was in Wirklichkeit passieren würde: Es kämen nicht fünf Manuskripte, von denen drei genial wären, es kämen 500, von denen 450 indiskutabel, 40 der übliche Schmäh und vielleicht 10 bedenkenswert wären. Man müsste aber alle 500 wenigstens anlesen. Wer soll das leisten? Wer finanzieren?
    Was ich mir vorstellen könnte – und wo wir uns mögicherweise treffen -, wäre eine Plattform, auf der unveröffentlichte Manuskripte zur allgemeinen Diskussion gestellt werden. Wir wissen alle, wie das so ist mit den „unverlangt eingesandten Manuskripten“. Sie werden in der Regel von Praktikanten / Volontären vorsortiert, wobei „Verkäuflichkeit“ ein Hauptkriterium für die Position des entscheidenden Daumens ist. Was würde passieren, wenn ein öffentlich zur Diskussion gestelltes Manuskript plötzlich, sagen wir, zwanzig, dreißig begeisterte Kritiken bekäme? Von professionellen Kritikern, Kollegen, „Normallesern“? Das herauszufinden, wäre eine spannende Sache und gehörte durchaus zu „Krimikultur“. Und je zahlreicher die Menschen sind, die sich dafür einsetzen, desto höher die Chance, dass solche und andere Ziele erreicht werden können. Also: mitmachen.

    bye
    dpr

  6. statt Einsenden, gibt´s a auch Möglichkeiten ähnlich Bachmann-Jury etc. Jedenfalls wär´s eine „Kultur“ konträr jener, die in riesigen Schaufenstern Bücherberge von ein, zwei Autoren stapelt. Und Vorkasse muss sein, sonst wird´s nicht ernst genommen. Aber a propos Mitmachen, als Horrorvorstellung oder Verheißung, hat auch seine Kulturgeschichte. Henry Miller zitiert in „The books in my Life“ („Die Kunst des Lesens“) einen Brief von Sherwood Anderson an Theodore Dreiser, der mich verblüfft hat:

    „Wahrend der letzten ein oder zwei Jahre ging mir etwas im Kopf herum, worüber Du und ich hätten sprechen sollen, und der Selbstmord von Kollegen wie Hart Crane, Vachel Lindsay und anderer, ganz zu schweigen von der Bitterkeit eines Masters, verstärkten während der letzten ein oder zwei Jahre dieses Gefühl in mir.“ (…) „Stell Dir beispielsweise vor, Ted, daß Du jeden Morgen, wenn Du Dich zur Arbeit an Deinen Schreibtisch setzt, Dein Tagwerk etwa damit beginnst, an jemand, der auf demselben Gebiet arbeitet wie Du, einen Brief zu schreiben. Möglicherweise würden wir auf Grund dieser Mühe in unserer schriftstellerischen Arbeit weniger leisten. Wahrscheinlich wird sowieso viel zuviel zusammengeschrieben. In der augenblicklichen Situation halte ich das für den einzigen Ausweg. Nicht daß ich Dich veranlassen wollte, mir zu schreiben. Ich könnte Dir Namen und Adressen anderer geben, die Dich brauchen und die Du brauchst. Ich halte es für möglich, auf solche Weise ein Netz menschlischer Beziehungen zu knüpfen, das etwas Schriftsteller und Maler und Librettisten usw. usw. einander näher bringt.“
    Horror oder Hilfe? Später Miller zu einem anderen Thema:

    „Ich sprach von meiner Manie, Briefe zu schreiben. Ich berichtete, wie ich mich nach beendeter Lektüre eines guten Buches hinsetze und Gott und die Welt davon in Kenntnis setze. Bewundernswert? Vielleicht. Es ist andererseits aber auch schierer Unsinn und Zeitverschwendung. Eben diese Leute, die ich zu interessieren suche – Kritiker, Herausgeber, Verleger –, sind diejenigen, die von meinem Begeisterungsgeheul am wenigsten beeindruckt werden. Ich bin tatsächlich zu der Überzeugung gelangt, dass schon meine Empfehlung genügt, um Herausgebern und Verlegern das Interesse an einem Buch zu nehmen. Ich denke mir, dass diesem Sachverhalt vielleicht ein ursprüngliches und gerechtes Gesetz zugrunde liegt. Nach bestem Wissen ausgedrückt, lautet dieses ungeschriebene Gesetz: Misch dich nicht in das Schicksal anderer ein, auch wenn es sich um ein Buch handelt.“

  7. Schöner Brief! Wobei Miller im Endeffekt aber doch nur sagt: Sei asozial, weils die anderen auch sind. Es gilt, den schmalen Grat zwischen dem Einzelnen, Privaten und dem Gemeinsamen nicht zu verfehlen. Das ist ein Problem vieler, die schriftstellerisch arbeiten. Und auch eins derer, die gerade ihre Individualität betonen. Erinnern wir uns an den großen Mann aus der Südheide, der angeblich „auch keinen sehen“ wollte. Und sich bei manchen drüber freute, wenn sie kamen (oder ihm Briefe schrieben).

    bye
    dpr

  8. apropos Südheide. Im Deutschlandfunk 23 Uhr, „Geräusche aus dem Zettelkasten“, Selbstgelesenes und so, „Lange Arno Schmidt-Nacht“. Na, ja bis 2, moderiert von Jörg Drews, unterbrochen von National- und Europahymne . Kein link, da er hier schwarzes Loch generiert

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