Wie schreibt man einen Krimi? Man überlegt sich eine spannende Geschichte, nimmt seinen Jahresurlaub, mietet sich ein stilles Häuschen in Südfrankreich oder – wenn’s ein Großstadtkrimi werden soll – ein Hotelzimmer auf Mallorca. Und schreibt. Wenn der Krimi dann fertig ist, schickt man ihn an einen Verlag, der ihn veröffentlicht. Den Rest seines Lebens verbringt man nun in Talkshows und auf ausgiebigen, von erotischen Abenteuern aller Art versüßten Lesereisen.
Nein, ganz so einfach ist es natürlich nicht, das weiß der erfahrene wtd-Leser. Krimis schreiben wollen viele – und noch mehr tun es. Seit geraumer Zeit schon sind die Verlage dazu übergegangen, nicht jede Einsendung sofort zu veröffentlichen, sie können auswählen und tun dies nach bestimmten Kriterien, die man kennen sollte, will man Erfolg haben.
Es beginnt mit dem Anschreiben. Ein Eröffnungssatz wie „Ich habe hier einen Krimi, bitte veröffentlichen!“ ist ganz schlecht, denn einen Brief soll man nie mit „ich“ beginnen. Viel eleganter dieser Einstieg: „Nachdem nun auch mein Arbeitskollege Würselen gemeint hat, ich solle doch mal einen Krimi schreiben, habe ich es hiermit getan. Was zahlen Sie denn so?“ Aha, denkt sich der zuständige Verlagssachbearbeiter, da weiß einer noch, was wörtliche Rede ist – und speichert ihr Manuskript, bevor er es gelesen hat, unter „literarischer Krimi“. Die gehen immer, denn immer mehr Deutsche haben Abitur.
Wer so beginnt, sollte allerdings auch wissen, dass die meisten Verlage nicht mehr so leichtgläubig sind wie noch vor einigen Jahren. Ihr Arbeitskollege Würselen hat gemeint, sie sollten endlich einen Krimi schreiben? Das kann jeder sagen! Fügen Sie in der Anlage eine notariell beglaubte, am besten eidesstattliche Versicherung jenes Würselen bei, er halte sie für einen Klasseautor. Bedenken Sie: Je mehr solcher Versicherungen dem Verlag vorliegen, desto klarer wird diesem, dass er es hier mit einem neuen Talent zu tun hat.
Wie bei jeder Bewerbung sollte man auch bei Manuskriptangeboten in prägnanten Worten darlegen, wieso und warum und weshalb man sich qualifiziert fühlt, einen Kriminalroman zu schreiben. Ganz wichtig: Zeugnisabschriften, aus denen hervorgeht, dass man in Deutsch immer eine Eins gehabt hat (wenn einem dieser schreckliche Studienrat Dingsbums mal „aus pädagogischen Gründen“ eine Drei verpasst hat, sollte man das nicht verschweigen. Früher oder später kommt alles raus, also lieber gleich mit offenen Karten spielen und erklären, dieser Dingsbums habe kurz vor dem Burnout gestanden. Der Verlag drückt dann gewiss ein Auge zu.). Wer Krimis schreibt, sollte auch ein paar gelesen oder gesehen haben. Vergessen Sie daher nicht, auf den lückenlosen Konsum aller bisher versendeten Tatort-Krimis hinzuweisen und nennen Sie wenigstens drei, vier Klassiker des Genres, die Sie am Wochenende gerne lesen (wenn nicht gerade der Rasen gemäht und der Grill bedient werden muss), also etwa Christie, Chandler, Wallace und Heinrich Steinfest.
Haben Sie die Hürde des Anschreibens gemeistert, kommt der Text selbst an die Reihe. Krimis bestehen zu 80 Prozent aus Sprache, aber Sprache ist nicht gleich Sprache, wie wir alle wissen. Schon der erste Satz verrät, in welcher stilistischen Ecke sie kauern, um sogleich in die Ringmitte zu stürmen und ihren Gegner – den Leser – KO zu schlagen. Beginnen Sie mit „Indem ich einen Fuß vor der anderen setzte, ging ich durch die Straße“, wird der Lektor gleich erkennen: Aha, ein nüchterner Realist. Sollten Sie hingegen in das Segment „Regionalkrimi“ einbrechen wollen, empfiehlt sich folgender Einstieg: „Ich ging durch die Hauptstraße von Sulzenreuth, an der die größte Sehenswürdigkeit des Ortes liegt, der 1594 von Ansgar Hühnerbein errichtete Hennesjenturm, in dem sich heute eine Videothek (immer offen außer Sonntag, Ausleihe nur gegen Vorlage des Personalausweises) befindet.“ Freunde des hardboiled/noir/Schwedenkrimis beginnen folgendermaßen: „Ich ging durch die Straße wie durch eine Mauer des Schweigens.“
Bitte verkneifen Sie es sich, Ihrem Roman einen Titel zu geben. Den sucht der Verlag für sie aus. Entweder aus dem aktuell so beliebten biblischen Fundus („Massaker am brennenden Dornbusch“ – „Is noch Fisch da, Jesus?“) oder als Anleihe an coole Kinofilme („Sulzenreuth burning“ – „Dornbusch Seven“).
So. Sie sind nun gut gerüstet für eine Karriere als Krimiautor. Freuen Sie sich auf knisternde Lesereisen mit blutjungen Buchhändlerinnen und nymphomanischen Oberstudienrätinnen (für Krimiautorinnen: mit rüstigen Rentnern aus der nahen Seniorenverwahranstalt), ein pralles Konto und rasant steigende gesellschaftliche Anerkennung. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!
„Dornbusch Seven“ ist ganz schlecht. Das kaufen die Leute nicht, weil sie denken: Oha, da habe ich ja „Dornbusch One“ bis „Six“ verpasst. Ob ich da noch den Anschluss finde?
Du kleiner Schlaui. Natürlich heißt es im Untertitel „Commissario Dünnpfiffs ERSTER Fall“!
bye
dpr
Ah! Gut.