Warum sollen wir eigentlich Elmore Leonards „Road Dogs“ lesen? Erwarten uns „gesellschaftliche Relevanz“, „packende Milieustudien“, gar „psychologische Tiefer“? Eher nicht. Ein bisschen ist das wie ein Roman von Saul Bellow. Es wird einem was erzählt und man braucht schon einiges Abstraktionsvermögen, um herauszufinden: Hey, der schreibt da grad über mich.
Leonards Geschichte über die beiden Knastkumpels (für nichts anderes stehen die titelgebenden „Road Dogs“) Jack Foley (Rekordbankräuber) und Cundo Rey (kleinwüchsiger kubanischer Gangster) ist in ihrer Entwicklung vorhersehbar. Im Knast schmiedet man ein Zweckbündnis, Cundo vermittelt Foley eine Anwältin, die dessen Strafe von 30 Jahren auf 30 Monate runterdrückt, dann kommen beide frei und Cundo erwartet Gegenleistungen, fragt sich nur welche. Als Störfaktor des Männerbündnisses gibt es Dawn Navarro, Cundos Ehefrau, die acht Jahre auf ihren Liebsten gewartet hat, „wie eine Heilige“, glaubt der, aber nun doch nur wie eine geldgeile Hyäne. Und es gibt Jimmy, der während Cundos Abwesenheit den kriminellen Laden zusammengehalten und ausgebaut hat, sowie einen von Foley besessenen FBI-Agenten und den jungen Latino Tico, den Dawn becirct und benutzt. Vergessen wir nicht die Schauspielerin, die sich von ihrem toten Gemahl verfolgt glaubt (oder das Ganze nur spielt) und ein zartes Verhältnis zu Foley anschiebt.
Beinahe ein Kammerspiel, Menschenschach, bei dem die Figuren zugleich die Spieler sind und sich gegenseitig zum jeweils eigenen Vorteil auf dem Brett verschieben. Schauspielerei. Nicht umsonst redet man gelegentlich über Filme. Das im Titel mitschwingende Motiv der Freundschaft gerät zu einem immer dubioseren Begriff, pendelt zwischen Hass und Liebe, stets den Kriterien von Nützlichkeit unterworfen. Ein typisches Krimiklischee also, seit man uns gelehrt hat, Gut und Böse seien nun doch nicht die steinernen Monumente, als die sie der Schund in seiner Denkfaulheit gehauen hat.
Es gibt wie immer bei Leonard wunderbar pointierte Dialoge und humoristische Miniaturen, am schönsten in der Verbindung Fowleys zu seiner Schauspielerin, wo man zwischen Unterhosen und Philosophie hin und her springt. Man ist nicht auf das Was gespannt, viel mehr auf das Wie. Und so entwickelt sich aus einem nicht übermäßig nervenzerreißenden Plot eine souverän durchkomponierte Handlung menschlicher Interaktionen, so dass wir am Ende nicht mehr wissen wollen, worauf Leonard hinauswill („gesellschaftliche Relevanz“ u.a., s.o.), sondern es uns mit jeder neuen Wendung dämmert, was das alles mit uns und unserer Berechnung zu tun hat. Das macht dem Alten so schnell niemand nach.
dpr
Elmore Leonard: Road Dogs. Eichborn 2011
(Road Dogs, 2009. Deutsch von Conny Lösch und Kirsten Riesselmann).
303 Seiten. 19,95 €