Deutschland 2011. Eherne Gesetze geraten ins Wanken, ehemals orthodox gläubige Menschen wechseln ihre Überzeugungen mit der Unterwäsche, nichts ist mehr so, wie es einmal war. Ausnahme: österreichische Krimis. Die sind lustig. Immer, mal so, mal anders, aber lustig. Und dann das: Georg Haderers „Der bessere Mensch“. Österreicher, aha. Man beginnt mit der Lektüre und irgendwann, sagen wir auf Seite 38, schaut man ungläubig in die Kurzbio des Verfassers. Österreicher. Aber nicht österreichisch lustig. Schulterzucken. Die Welt ist endgültig und komplett aus den Fugen geraten.
Ein notorischer Rechtsradikaler wird rabiat ins braune Wallhall geschickt, den Kopf von aggressiver Phosphatsäure ins Nichts aufgelöst. Polizeimajor Schäfer und Kollegschaft nehmen die Ermittlungen auf, ohne recht von der Stelle zu kommen. Weitere Attentate folgen, stets zeigt sich der Täter bestrebt, seine Opfer nicht unnötig leiden zu lassen. Der zögerliche Gang der Dinge gerät spektakulär in Turbulenzen, als DNA-Proben eindeutig ergeben, ein seit vielen Jahren toter Mörder stecke hinter den aktuellen Verbrechen.
Worum es hier geht, findet sich bereits im Titel von Haderers Roman. Um den „besseren Menschen“ eben. Sind Polizisten bessere Menschen? Schäfer offensichtlich nicht. Er neigt zu cholerischen Aktionen, bei denen er auch schon mal Gewalt gegen Verdächtige anwendet oder latenten Rassismus offen wüten lässt. Dafür kann man ihn aber nicht wirklich verantwortlich machen, denn Schäfer leidet an einer bipolaren Störung, schwankt zwischen Depression und Manie, wird nur von starken Medikamenten einigermaßen im „normalen“ Leben gehalten. Keine Frage, er meint es „gut“ und steht auf der richtigen Seite, so wie sich überhaupt die Geschichte letztlich in jenem Punkt verdichtet, wo sich die moralischen Werte selbst demontieren. Gut – besser – furchtbar, so steigert sich das.
Es ist vor allem die Person des Polizeimayors Schäfer, mit der Haderer punkten kann und die seinen Roman zu einer psychologisch glaubwürdigen Geschichte macht. An Schäfer richtet sich auch das übrige Personal auf, keine Klischeefiguren unter dröhnendem Witzigkeitszwang, sondern Menschen, die sich auf ihre Weise durchs Leben schlagen. Ein Leben, das nicht „besser“ ist, sondern eben irritierend in der Art, wie es sich selbst beständig wandelt und letztlich seinen eigenen Weg geht. Dass der Roman am Ende auch zu einer Parabel über wissenschaftliche Ethik wird und sogar leicht ins Sciencefiktionale abdriftet, passt hier durchaus und wirkt keinesfalls aufgesetzt.
Ach ja: Schreiben kann Haderer auch noch, nicht nur, aber vor allem, Dialoge. Und durchaus humorvoll. Existentielles ohne Peinlichkeiten präsentiert, also wenn das keine Leistung ist… So lassen wir uns die aus den Fugen geratene Welt gerne gefallen.
Georg Haderer: Der bessere Mensch.
Haymon 2011. 328 Seiten. 19,90 €