Keine Rezension. Nicht dass mich Guido Rohms „Die Sorgen der Killer“ sprachlos gemacht hätte. Das schafft nur das unterirdisch Schlechte, das Schriftstehlerische, das also, dem das fehlt, was Rohms 13 Erzählungen allemal bieten: die Prägnanz der Sätze, die Unmittelbarkeit, mit der das Ungeheuerliche neben dem beiläufig Alltäglichen erzählt wird, das gut gefüllte stilistische Arsenal des Autors, das es ihm auch erlaubt, eine Geschichte in einem einzigen, seitenlangen Satz zu erzählen, ohne dass der innere Geschmackstaxameter auf „Manierismus!“ pegelt. All das steckt in den Erzählungen wie zuvor schon in den Romanen Guido Rohms, auch Humor, der nicht zum Lachen ist und das Tragische, das natürlich zum Lachen ist. Nennen wir das ruhig einmal die Dialektik des Seins, gar nicht philosophisch, einfach nur beobachtend, in Wörter kondensiert, aufgeschrieben.
Nein, noch einmal: keine Rezension. Für wen? Für diejenigen, die das gleiche Brandzeichen tragen, den gähnenden Mund als Protest gegen das Uniforme der Kriminalliteratur, das Antlitz des gelangweilten Lesers, die Liebhaber der ewig gleichen Spannungsbegattung… und für die anderen, die den gähnenden Mund nicht in der Haut spüren, diejenigen, die ihn besitzen? Keine Chance. Selbst wenn ich mit göttlichen Zungen reden könnte, es würde mir nicht gelingen, hoffnungslos. So tragen wir weiter das Brandzeichen der anderen, nur um nie zu vergessen, dass wir nicht dazugehören.
Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir: Es gibt zwei Kriminalliteraturen, grob gesprochen. Zwischen ihnen verläuft eine rote Linie, die nur von wenigen überschritten wird. Ich nenne sie die Induktions-Deduktions-Grenze. Die Deduktionisten wissen, dass alle Menschen sterblich sind und schließen daraus, dass auch sie der Tod ereilen wird. Sie möchten nicht überrascht werden, sie bleiben auf der sicheren Seite. Die Induktionisten sehen, wie ein Mensch stirbt und schließen daraus, dass alle Menschen sterben. Und das überrascht sie selbst am meisten. Die Deduktionisten irren nie, die Induktionisten können immer irren. Diese sind die waghalsigen, jene die vorsichtigen.
Wer induziert, ist niemals fertig. Sobald ein Mensch stirbt, muss sich der Induktionist entscheiden, ob dies der Beweis für die allgemeine Sterblichkeit des Menschen sei oder nur die Ausnahme von der Regel. Die Deduktionisten der Kriminalliteratur formulieren ihre Texte als das Besondere aus dem Allgemeinen der Genregesetze, die ihnen auf Ton-Bild-Schrifttafeln vom kritischen Berg Sinai des Medialen zugeworfen werden. Die Induktionisten schreiben zuerst einen Text und bestimmen dann die Naturgesetze, denen er verpflichtet ist. Mit jedem neuen Buch versinkt die Physik der alten Welt und eine neue Welt entsteht.
Dreizehnmal erschreibt Guido Rohm die Welt. Dreizehnmal kommt der Tod und dreizehnmal stellt sich der Autor die Frage, was der Tod bedeutet und dreizehnmal liefert er Antworten, die allesamt das Scheitern in sich bergen. Literatur, die nicht scheitern kann: Literatur, die ein Naturgesetz abnickt: Literatur, die postuliert, der Himmel sei blau, also könne es nicht regnen: Literatur, die so ist: ist keine Literatur. Guido Rohm schreibt keine Literatur, die keine Literatur ist.
Schön gesagt, das mit der Spannungsbegattung und der Roten Linie. Ich fürchte, Guido Rohm bewegt sich auf der Seite, die pekuniär nie gut gepolstert sein wird.
Seis drum, ich stimme mit der Aussage voll überein: Erst den Text schreiben und dann sehen, was es geworden ist. Zeugen und gebären, so geht das.
Dann, wenn man keinen Golem basteln will (oder einen Ork, oder …)
Pekuniär nicht gut gepolstert? Nope! Der Bursch lebt in Saus und Braus, der kann sich sogar RAUCHEN noch leisten! DA sollten die Urheberrechtspiraten mal ansetzen! Anstatt meine Finca auf Malle ins Visier zu nehmen…