Gunnar Steinbach: Des Schreinermeisters schönster Sarg

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(Weihnachten naht. Und mit ihm die Frage: Welche Krimis schenke ich meinen Liebsten? Jeder weiß: Das kann ins Auge gehen und langjährige Freundschaften abrupt beenden. Doch keine Angst: Hinternet hilft. Die Krimiredaktion hat einige aktuelle Spitzenprodukte der Spannungsindustrie unter die Lupe genommen und ihnen den jeweiligen Idealtypus Leser (hier „Geschenkempfänger“ genannt) zugeordnet. Jetzt kann nichts mehr schiefgehen.)

Das Buch

Kommissar Kugelmeyer, den wir in Steinbachs Romanerstling „Prälat Abels letzte Fahrt“ als, gelinde gesagt, exzentrischen Ermittler kennenlernten, hat den Polizeidienst quittieren müssen und heuert bei einer Privatdetektei an. Der erste Fall führt ihn, zusammen mit dem türkischen Kollegen Güler und der lockenden Kollegin Sarah, nach Fischbach, wo ein anonymer Briefeschreiber einer Gemischtwarenhändlerin das Leben schwer macht. Während sich Kugelmeyer in die erwarteten Liebeshändel mit Sarah verwickelt, plant und realisiert der titelgebende Schrreinermeister gar schröckliche Verbrechen. Menschen verschwinden, Särge werden doppelt belegt, Gülers Gehirn wird hinterrücks schwer erschüttert, der Böse setzt weiter den Hobel an, hat aber die Rechnung ohne — genug. Es kommt jedenfalls zu dramatischen Verwicklungen und einem überraschenden Ende.

Der ideale Geschenkempfänger

… ist unbezweifelbar Onkel Servatius, Sie wissen schon, der, wenn er Krimis liest, „innerleckduelles Ammiesemang“ fordert, und, da im Brotberuf als VHS-Dozent für Küchenmathematik tätig, dem Wahlspruch folgt: „Das Große-Ganze ist stets die Summe der Kleinigkeiten. Und ein Kreis ist ein Gebilde mit vier Ecken.“ Denn genau das ist die Stärke Steinbachs: die Kleinigkeit. Ob nun der Schreinermeister fachgerechtes Erwürgen an einer Tüte Mehl übt oder Kugelmeyer sich in bizarrste Details hineindenkt, das kann er, das hat er drauf, der Steinbach, indes: Der Krimi bleibt dabei auf der Strecke. Die Morde sind mehr oder weniger Juxmorde, die Spannung tendiert gegen Null, sämtliches Personal agiert exaltiert-beknackt, hochtourig hingepinselte Karikaturen. Oh doch, man kann auch diesen Roman mit Genuss lesen – wenn man ein Geistesverwandter unseres Onkel Servatius ist, der an kalten Winterabenden kichernd neben dem Kamin sitzt und „Och, issas koooomisch!“ jauchzt. Ist es. Ja. Doch. An kalten Winterabenden.

Geeignet auch für

… alle Leute, die Wolf Haas eine oder zwei Tränen nachweinen, denen Steinfest aber zu weggeschwurbelt ist und die noch nie etwas von Carl Hiaasen oder Pentti Kirstilä gehört haben. Steinbach entschädigt wenigstens halbwegs harmlos-gescheit, witzig-flüssig, folgenlos-buchzuschlagend. Ist ja nicht verkehrt. An Weihnachten.

Gunnar Steinbach: Des Schreinermeisters schönster Sarg.
Btb 2006. 351 Seiten. 9 €

5 Gedanken zu „Gunnar Steinbach: Des Schreinermeisters schönster Sarg“

  1. Och, schade. Da ich schon mal was von Carl Hiaasen gehört habe und Steinfest nicht zu schwurbelig finde, ist das Buch doch nix für mich. Was empfiehlst also du mir (außer Arno Schmidt)?

  2. Na, Dschordsch, Weihnachten is nochn bissel hin, warts ab. So ad hoc: Lies ma wieda Perutz. Kann man immer empfehlen. Mach ich auch gerade mal wieder.

    bye
    dpr

  3. Nee, was Neues, Perutz lese ich auch immer wieder, wo jetzt die neue dtv-Ausgabe rauskommt. Und komm mir jetzt nicht mit Saki oder Bierce.

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