Eine isländische Schiffsbesatzung kurz vor dem Auslaufen nach Surinam, wo Rohstoffe für die Aluminiumindustrie geladen werden sollen. Einer aus der Mannschaft bringt seine Frau um. Ein anderer fürchtet um das Leben seiner Familie, das von Schuldeneintreibern bedroht wird. Andere planen eine Meuterei, weil sie am Ende der Reise entlassen werden sollen. Selbst der Kapitän steht vor existentiellen Problemen. Und dann erscheint auch noch der leibhaftige Satan an Bord…
Stefán Mánis Buch „Das Schiff“ hat zwar 2007 den Isländischen Krimipreis gewonnen, ist aber kein Krimi gewohnter nordischer Machart. Wohl nutzt der Autor sämtliche Versatzstücke und Spannungstechniken – sehr gekonnt, übrigens -, seine Dramaturgie indes folgt einer anderen Maxime: Zeige, wie Menschen, die von der Außenwelt abgeschnitten sind und allein mit ihren Obsessionen und Ängsten, reagieren. Mische dem allem das personifizierte Böse bei und beobachte die Reaktionen der Beteiligten. Eine Versuchsanordnung. Und sie gelingt prächtig.
Wir begleiten das Schiff auf seiner Fahrt durch den Atlantik. Die Männer, wie gesagt, werden von Angst aufgefressen, die Bedrohungen lauern überall. Durch eine unglückliche Verwechslung ist auch ein Gangster unter sie geraten, ein Gangster, der sich „Satan“ nennt und als Inbegriff des Bösen agieren wird. Die See ist stürmisch, das Schiff ständig in Bedrängnis, Sabotage legt Radar und Funk lahm, keine Verbindung mehr zur Außenwelt. Die vor lauter Angst panisch gewordenen Männer tun Dinge, die alles nur noch verschlimmern, mitten drin „Satan“, das Böse in einer äußerst ambivalenten Rolle. Er ist Bedrohung und Stütze zu gleich, als Piraten das Schiff entern wollen, wird er gar zum Retter.
Surinam wird man nicht erreichen, das steht fest. Das Schiff, manövrierunfähig geworden, die Mannschaft dezimiert, ergibt sich der Macht des Meeres und treibt nach Süden ab. Was nahe der Arktis begann, endet in der Antarktis. Nicht nur diese geografische Übereinstimmung erinnert beim Lesen von „Das Schiff“ an einen anderen großen Seeroman, Edgar Poes „Arthur Gordon Pym“. Hier wie dort begeben sich bedrohte Personen, denen die Angst aus allen Poren schwitzt, in die Hand der übermächtigen Elemente. Gleich zu Anfang hat sie Máni darauf reduziert, bloß noch auf die Gefahren reagieren zu können, das Böse zu fürchten, zugleich aber, wenn es nötig wird, mit ihm zu paktieren.
„Das Schiff“ setzt diese Konzeption, die sehr leicht auch als hölzernes Konstrukt unter seinem Anspruch zusammenfallen könnte, mit viel handwerklichem Geschick und hoher Intensität um. Sympathisches Personal gibt es nicht, ja, wer es dringend benötigt, wird sich wohl oder übel an „Satan“ persönlich halten müssen. Eine intime, mitreißende Studie von Angst ist das geworden – und der Beweis, dass Krimi zu allem Möglichen taugt, wenn man seine Kunst beherrscht.
Stefán Máni: Das Schiff. Ullstein 2009
(Skipiδ, 2006. Deutsch von Tina Flecken). 412 Seiten. 19,90 €