Waid/Ross: Kingdom Come

Judgement Day für Superhelden

Was passiert eigentlich, wenn die alte Garde der Superhelden abtritt und das Regiment ihren Nachkommen überläßt? Im 21. Jahrhundert ist es soweit. Die Alten (Supie, Batman, Wonder Woman…) haben sich mehr oder weniger verbittert aus dem Weltrettungsgeschäft zurückgezogen, da ihre humanistischen Moralvorstelllungen nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen. Die Neuen sind aggressiver, brutaler, härter. Sie kehren mit eisernen Besen und beseitigen die Superschurken. Arbeitslos geworden prügeln sie sich untereinander. Diese Machtkämpfe werden auf dem Rücken ihrer eigentlichen Schutzbefohlenen ausgetragen. Die Folge: zerstörte Städte, Tote, atomar verstrahlte Landstriche!

Irgendwann können Supie und Kumpanen diesen Zustand nicht mehr länger ignorieren und brechen auf, um ein letztes Mal für Recht und Ordnung zu sorgen. Damit beschleunigen sie aber nur die Entwicklung der Apokalypse und eins ist klar: am Ende wird ein Urteil gefällt…

Die Story von „Kingdom Come“ ist intelligent aufgebaut und packend. Die Kampftechniken und Kräfte der Superhelden stehen weniger im Mittelpunkt, als die Eigenverantwortlichkeit der Menschen ihre Probleme selbst zu lösen. Die Erzählweise schafft eine Distanz zu den Figuren. Kein Action-Comic wie es zu erwarten wäre, sondern Charakterstudien der neuen und alten Götter. Eingepackt ist das Ganze in wunderbare fotorealistische Illustrationen. Nicht bunt und poppig, sondern atmosphärisch dicht.

Kingdom Come ist auch für diejenigen lesenswert, die nicht die Lebensgeschichte sämtlicher Superhelden im Volldelirium runterbeten können. Die Protagonisten des Comics sind entweder alte Bekannte, oder haben nur einen kurzen Gastauftritt. Daher ist es schade, daß Kingdom Come nur in niedriger Auflage gedruckt wurde und deswegen so teuer ist. Außerdem könnte man für diesen Preis erwarten, daß einem das Comic nicht nach dem drittenmal lesen auseinanderfällt.

Waid/Ross
KINGDOM COME
Carlsen Comics 49,90 Deutschmark
ISBN 3-551-72625-6