Tunnel-Effekt

Kaum kommt Dr. Zapp frohgelaunt, braungebrannt und voller Energie (d.h. mit neuen Batterien für die Fernbedienung aus dem Duty-free-Shop) aus dem wohlverdienten Urlaub (nein, nicht Ballermann!) zurück, erwartet ihn hier der Lady Di-Medien-Gau.

Blitz, das Boulevardmagazin ist tief getroffen und legt Sonderschichten ein. „Wir trauern“, sagt der Jungboulevardconferencier mit tieftraurigem Dackelblick. In einer Sondersendung zeigt man noch einmal all die Bilder, mit denen man sich schon früher über inhaltsleere Sendeminuten gerettet hat. Nur diesmal unterlegt mit Musik, die gut zur Schlußszene aus „Love Story“ gepaßt hätte. „Sie wird uns fehlen“. Das glaube ich aufs Wort.

Während ARD und ZDF einfallslos trauernde Passanten in Schlangen und auf Straßen befragen, interviewt ein länglich buntes RTL Mikro den Kunden eines Friseurs, der gerade auf seinen neuen Haarschnitt wartet (glaubt mir, den hatte er dringend nötig!). Und ein NTV-Reporter sagt so kluge Dinge wie „Der Tod ist immer eine besondere Zäsur“.

Auch Peter Glotz darf sich zum Thema und auf NTV äußern – als der Medienexperte. Überhaupt schlägt in solche Zeiten die Stunde der Experten. Haufenweise zerrt das Fernsehen sie vor seine Linsen: all diese Experten fürs Blaublütig-Königliche. Daß es die in England an jeder Straßenecke gibt, ist ja noch verständlich (wahrscheinlich gibt es dort auch Plumpuddingexperten zu hauf, die bei jeder Plumpuddingkrise ihre Nasen warnend in die Kameras halten). Aber in Deutschland, unserer hochgeschätzten Republik?! Königsfrei seit fast 80 Jahren.

So lernen wir ganz nebenbei: Adelsexperte scheint auch in Deutschland ein ernstzunehmender Beruf zu sein, der seinen Mann ernährt (Liebe Möchtegern-Lehrlinge: ein von im Namen ist aber Einstellungsvoraussetzung). Ja, das Fernsehen gebiert immer neue Experten. Nahostexperten, Mafiaexperten, Sexexperten, Deichexperten und Rasenmäherexperten, Mein Lieblingsexperte stammt aber weiterhin aus der Berichterstattung unserer amerikanischen Freunde über den OJ Simpson Fall. Mehrere Nächte lang wurde da die Aussage eines FBI Shoe Expert diskutiert. Und ich mußte mich sehr zusammenreißen, um ihn mir nicht mit dem Gesicht von AL Bundy vorzustellen.

Mit der Pietät ist das ja so eine Sache. Am Sonntag, dem Todestag Dianas, brachte die ARD nach 23.00 Uhr eine Sondersendung, in der auch ein Filmportrait der Verstorbenen gezeigt wurde. In der 1993 erstellten Dokumentation lief unter anderem eine kurze Retrospektive von Dianas Kleidungs- und Frisurenstil im Laufe der Jahre – unterlegt mit den Klängen von „Life is live“.

Die Sondersendung „Brennpunkt: Tod im Tunnel“ brachte der ARD eine Rekordquote, auf die sie nie zu hoffen wagte: 11,27 Mio Zuschauer (36,7 % Marktanteil)!

Weniger Glück mit seiner Sondersendung hatte das ZDF. Bereits um 12.45 Uhr am Sonntag wurde ein Special zum Tod Dianas für 19.30 Uhr angekündigt. Punkt 19.30 Uhr erschien dann das Gesicht Ruprecht Esers (der Mann fürs Ernste!) auf dem Bildschirm, hinter ihm die spezielle Studio-Deko mit großen „ZDF-Spezial“-Lettern.

„Guten Abend, liebe Zuschauer. Ich begrüße Sie zum ZDF-Spezial zum Tode von Lady Diana. Eigentlich wollten wir Ihnen jetzt eine Sondersendung zum tödlichen Verkehrsunfall der vergangenen Nacht präsentieren. Allerdings haben wir momentan große technische Probleme: Unsere Leitungen nach Paris und London sind zusammengebrochen, so daß wir ihnen kein Bildmaterial und keine Korrespondenteninformationen anbieten können. Das bedeutet, daß unsere Spezialsendung leider entfallen muß. Wie in Ihren Programmzeitschriften angekündigt, sehen Sie jetzt eine Folge aus der Reihe `Wunderbare Welt´.“