Earthling sind die Crew, die von der Forschungsgruppe Soul (Massive Attack – Tricky – Portishead) per Shuttle in eine Erdumlaufbahn geschickt worden sind. Dort zeichnen sie nun auf, wie mit Techniken des Hip Hop arbeitende Zeitlupensongs außerhalb des Planeten klingen. Zurück zur Erde werden diese Aufnahmen dann geschickt, nachdem sie mit Vibraphon- und Bläsereinsätzen aus Science- Fiction-Filmen der Sechziger angereichert wurden.
Was die Besatzung um Tim Saul und MC Mau aus Bristol so ganz grundlegend schafft, ist die musikalische Umsetzung von isolierter Schwerelosigkeit. Schon das von Mau im Eingangsstück ‚1st Transmission‘ ständig ängstlich beteuerte „I know who I am / I’m not who you think I am“ weist auf das zentrale Thema der Texte auf ‚Radar‘ hin: das Gefühlsspektrum zwischen Beklommenheit und Paranoia. So wird bei ‚Nefisa‘, das in Großbritannien die Top 40 erreichte, dazu aufgerufen, seinen eigenen Kopf nicht zu verlieren, bevor die unsterbliche Zeile „See there were men on the moon, but they killed ‚em“ mit großer Selbstverständlichkeit vorgetragen wird. Verschwörungstheoretiker, hier ist eine Hymne! Gemütszustände solcher Art werden dann durch den opulenten Einsatz von verhallten Sirenen und abwärts gleitenden, hysterischen Streichern unterstützt. Dazu wird das Scratching, das bei Tricky und Portishead meist ohne konkrete Funktion für ein Stück bleibt, als Störung jeglicher Kommunikation eingesetzt.
Aber ‚Radar‘ ist nicht Horror-Hop. Die Platte ist mollig warm produziert (Wolldecke mit an Bord?), und die dominanten kuscheligen Mitten lassen vermuten, daß es denen da draußen gut geht und die Lyrics in gelegentlichen Phasen der Depression geschrieben werden. Musikalisch erfüllt sowohl jedes einzelne Stück als auch das gesamte Werk ein Höchstmaß an innerer Geschlossenheit. Letztendlich läßt dies alles ‚Radar‘ zu einer erstklassigen LP für Club und Haus werden.
Earthling: Radar
(Cooltempo)