Praktisch mit seinem ersten Album begann für den Spanier Miguelanxo Prado eine mustergültige Karriere. Er wurde bei allen namhaften Festivals ausgezeichnet und gehört heute zu den angesagtesten Zeichnern. In Deutschland ist er bekannt geworden durch seine Alben Der tägliche Wahn, Kreidestriche und seine jüngste Veröffentlichung Berührungen.
Die Endzeit der Delphine, so der Titel seines ersten Albums, liegt jetzt erstmals in deutscher Bearbeitung vor. Es erschien 1984 unter dem Titel Fragmentos de la Enxiclopedia Delfica und zeigt einen Künstler, der noch ganz am Anfang seiner Entwicklung steht. Prado selbst schaut auf sein Erstlingswerk recht skeptisch zurück. Kein Wunder, hat ihn doch seine persönliche Entwicklung in eine andere Richtung getrieben, als es Die Endzeit der Delphine ahnen ließ.
Mit seinem Debutalbum hatte sich der sympatische Spanier ein großen Ziel gesteckt: Eine Chronik der Menschheit vom Atomzeitalter bis ins Jahr 10.000 zu schreiben. Die Geschichte der Menschheit vom homo sapiens über den homo novo bis hin zum homo finis, der die Erde verläßt und resigniert sein Glück in der Weite des kosmischen Raums sucht.
Prados Erzählungen beginnen im frühen 21. Jahrhundert und zeichnen einen Weg vor, der so ungewöhnlich gar nicht scheint. Visionen von heute werden morgen wahr: Schnittstellen vom Gehirn zum Computer funktionieren, die Robotik ist soweit, lebensechte Androiden herzustellen und die Erschließung und Kolonialisierung des Weltalls hat Alltagscharakter.
Aber im Vergleich zur rasant fortschreitenden technischen Entwicklung bleibt die menschliche Psyche ganz die alte. Habgier, Machthunger, Ignoranz und Boshaftigkeit sind nicht auszurotten. Konflikte und Intrigen nehmen eine neue Gestalt an, aber das Dilemma bleibt im Grunde genommen immer dasselbe. Die Menschheit bleibt auch weiterhin bestrebt, sich und ihre Umwelt zugrunde zu richten.
Angesichts der weltpolitischen Lage von 1982-84, in der Prado dieses Album realisierte, angesichts der Spaltung der Welt in zwei unnachgibige Machtblöcke, der beginnenden Weltraum-Rüstung und der grassierenden Zerstörung der Umwelt ist Die Endzeit der Delphine zu einem sarkastischen Album geraten, das der Menschheit keine positive Zukunft einräumt. Am Ende verlassen die Menschen den Planeten Erde und übergeben ihn den Delphinen, die versöhnlicher mit diesem Erbe umgehen.
Prado verarbeitete die unterschiedlichsten Strömungen im Bereich SF in diesem Projekt. Er erweckte keine elektrischen Schafe zum Leben, sondern Vögel, ließ Lems Androiden führende Positionen einnehmen und bezog seine unterdrückten Rassen vom Planeten der Affen. Prados Talent zeichnet sich allerdings dadurch aus, daß er nicht nur mit diesen Versatzstücken spielt, sondern die Essenz im Anliegen der zitierten Autoren zu einem Gesamtwerk vereinigt. Auch wenn Prado selbst Die Entzeit der Delphine inzwischen mit einem Stirnrunzeln betrachtet, der Leser wird von diesem Album nicht enttäuscht werden.
Miguelanxo Prado
DIE ENDZEIT DER DELPHINE
Ehapa Comic Collection 24,80 DM
ISBN 3-7704-1434-9