Neulich abends – ich blätterte gerade in meinem Salat – erreichte mich ein Handy-Notruf von Herrn Reinhold M., dem bekannten Alpinisten und Buchautor. „Hilfe!“ keuchte der Meister, schwer nach Atem ringend. „Ich habe soeben zum 145. Mal zusammen mit meinem Rechner den Mount Everest bestiegen, in der Absicht, dort oben auf dem Gipfel mein neuestes Werk, „Ich habe soeben zum 145.Mal zusammen mit meinem Rechner den Mount Everest bestiegen“ zu verfassen. Und jetzt das! Eine Sekunde nicht aufgepaßt – und dieses Schrottding von Rechner ist abgestürzt. In eine mindestens 400 Meter tiefe Gletscherspalte. Was kann ich tun?“
Das sind Schicksale. Aber sie drohen nicht nur berühmten Alpinisten und Buchautoren, nein, auch wir Normalverbraucher, zu denen der Berg gar nicht erst zu kommen braucht, weil wir keine Profeten sind, haben mit dem Problem des Rechnerabsturzes öfter zu kämpfen als uns lieb ist. Neben dem physischen Absturz, wie er Herrn Reinhold M., dem bekannten Alpinisten und Buchautor, passierte, gibt es noch den mehr metaphysischen. Dann steht zwar der Rechner noch auf dem Schreibtisch, doch in ihm drin, ganz tief in seiner Seele sozusagen, ist etwas down.
Das beste Mittel ist auch hier: Prävention. Sobald Sie gewisse Stimmungsschwankungen in der Psyche Ihres Rechners feststellen – etwa, wenn er eigenmächtig jede von Ihnen erzeugte Datei unter dem Namen „Scheiße!“ abspeichert -, sollten Sie sich daranmachen, eine sogenannte „Notdiskette“ (IT-Jargon) zu erstellen. Auf diese gehören unbedingt das komplette Betriebssystem in dreifacher Ausfertigung, ihre zwanzig liebsten Ballerspiele, sämtliche WORD-Dateien, die mit dem Satz „Heute ist mir so kannibalisch wohl zumute“ beginnen, sowie, ganz wichtig!, das Internet. Das Internet kopieren Sie, indem Sie einfach mit gehaltener rechter Maustaste draufklicken. Es öffnet sich ein sogenanntes „Kontextmenü“ (IT-Jargon), in dem Sie den Unterpunkt „Ganzes Internet kopieren“ aktivieren. Da das Internet immer größer wird, kann der Kopiervorgang etwas länger dauern, und Sie sollten vorsichtshalber Ihren Jahresurlaub dafür einplanen. Möglicherweise fordert Sie Ihr Rechner auch auf, eine zweite Diskette einzulegen, und Sie täten gut daran, ihm diesen Wunsch zu erfüllen, so schlecht wie er gerade drauf ist.
Ist dann der Ernstfall eingetreten, haben Sie Ihre Notdiskette, die Sie, solange der Rechner abgestürzt ist, auf einem sogenannten „Notbook“ (IT-Jargon) verwenden können. Brauchbare Notbooks gibt es bereits ab DM 5000 im einschlägigen Fachhandel, und sie leisten mindestens drei Tage lang treue Dienste, bevor sie selbst abstürzen.
Hat sich Ihr Rechner nach Ablauf von drei Tagen noch nicht überwinden können, von alleine wieder hochzufahren, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein ernsteres Problem. Machen Sie eine Checkliste, auf der Sie – nach eingehender Überlegung – notieren, wie und wann Sie den Rechner in der Zeit vor seinem Downzustand zu artfremden, unsittlichen oder illegalen Handlungen gezwungen haben. Zu letzteren gehören u.a. das Cracken von Programmen, das Versenden beleidigender anonymer Mails oder die Anfertigung der Lageskizze der Deutschen Bank Saar mit Hilfe eines Grafikprogramms zum Zwecke eines Raubüberfalls.
Unsittlich z.B. ist es, Ihren Rechner „Schatzi“ zu nennen. Das kann er gar nicht ab. Als artfremde Handlung gilt dagegen die an den Rechner herangetragene Forderung, gefälligst „die Platte zu putzen“. Er kann sie Ihnen jederzeit formatieren, das Putzen indes gehört nicht zu seinen Obliegenheiten.
Haben Sie die Checkliste erstellt, können Sie sie sofort wegwerfen. Denn Ihr Rechner hat seinem Leben ein Ende gesetzt. Er ist mausetot, gestorben an gebrochenem Herzen. Kaufen Sie sich einen neuen und behandeln Sie ihn in Zukunft artgerechter, weniger zynisch und rechnerverachtend.
Ach ja, bevor ich’s vergesse: Natürlich habe ich dem verzweifelten und bekannten Alpinisten und Buchautor Reinhold M. aus seinem Dilemma helfen können. Ich machte ihm den Vorschlag, doch ein Buch mit dem Titel „Ich habe soeben zum 145. Mal zusammen mit meinem Rechner den Mount Everest bestiegen, in der Absicht, dort oben auf dem Gipfel mein neuestes Werk, „Ich habe soeben zum 145.Mal zusammen mit meinem Rechner den Mount Everest bestiegen“ zu verfassen, aber das Schrottding ist in eine 400 Meter tiefe Gletscherspalte gestürzt.“ Das ist, erläuterte ich dem zunächst irritierten und verzweifelten und bekannten Alpinisten und Buchautor Reinhold M, „endlich einmal ein Schicksal! Das ist Dramatik! Das geht ans Herz! Das ist eine Marktlücke sondergleichen!“
„Hurra, hurra, hurra!“ hörte ich den enthusiasmierten, nicht mehr irritierten und verzweifelten, aber immer noch bekannten Alpinisten und Buchautor Reinhold M. ins Handy schreien, „das ist DIE Idee! Dank, Dank, Dank!“ Dann hat er aufgelegt. Gottseidank.
Später hat das Telefon noch mehrere Male wütend geläutet. Ich bin aber nicht mehr drangegangen. Ich wußte ja, wer mich da anrufen wollte und warum. Der schwer verzweifelte, überhaupt nicht mehr enthusiasmierte und bald kaum mehr bekannte Alpinist und Buchautor Reinhold M. nämlich. Und seine Frage hätte gelautet: „Ja, verflucht. WIE soll ich das Buch denn schreiben? Mein Rechner ist doch abgestürzt!“