James Last live

Aus dem großen Welt-Tournee-Programm.
Oh mein Gott, diese Platte beginnt tatsächlich mit der Glocke, die die Zuschauer zu ihren Plätzen ruft. Es geht los! Mit dem Titel „Opening Tournee“. Wow, hier sind schon die Bläser-Fanfaren. Furioser Opener, muss man sagen. Aber so flott, wie das hier abgeht, ist es auch schon wieder vorbei, und along comes „Evie“. Eine Ballade, langsam und soft, aber mit Soul und Style.

Wow, das ist nicht die schrille, partymachende Last-Combo, die hier durch die Hallen der Welt tourt. Auch wenn ich die sehr liebe. Aber das ist ein großer, swingender Klangkörper. Wow, wow, wow.

Und der hat im Programm, was Anfang der 70er modern, edel und weltoffen klingt. Eben Songs wie „Evie“, die amerikanischen Croonern gut zu Gesicht stehen: „Face in the Crowd“, „I left my heart in San Francisco“. Lounge-Swing. Las Vegas-Chic. Mit weiten Melodiebögen und coolen, sophisticated Arrangents.

Aber auch Abrocker wie „Easy Livin´“. Pures Adrenalin-Schub. Mit diesen straffen Bläsern und gnadenlos rockigen Gitarren. Und was der Drummer da an seinen Trommeln macht – wow.

Dazwischen: kurze Begrüßung durch einen atemlosen James Last („…im Namen dieser großen Familie hier auf der Bühne. Dankeschön.“), der die große Geste sowieso nicht liebt. Und schon perlt wieder die Romantik mit zarten Streichern, sanften Bläser- und Piano-Soli, und man möchte mit irgendwas Hochprozentigem on the rocks ungestört an einer Bar sitzen und lauschen. Wer diese Tour live erlebt hat, dem ist das Leben nichts mehr schuldig.

Wo das Konzert aufgenommen ist? Ja, das wüsste man gern. Auf der Welt-Tournee halt. Kann man sich jetzt aussuchen, ob in Moskau, Hamburg, Toronto, London, Neuseeland oder Hongkong. Ob er die Fett-Polka wirklich in Hongkong gespielt hat? Wahrscheinlich gerade da. Aber auch in Neuseeland und London? Hm.

Jedenfalls ist das eine der wenigen Live-LPs, die ich mir anhören kann. Nicht zu fassen, dass dieselben Leute auch diese schrecklichen Klassik-Platten eingespielt haben. Dr. Jekyll und Mr. Hyde… Oh, diese wunderbare Orgel von Günter Platzek in „Swing low sweet chariot“. Wie konnte man die je unter süßlichen Streichern verschwinden lassen? Also, nicht hier. Sondern auf den erwähnten Klassik-LPs. Dies hier ist eine der Platten, wo man verflucht, dass man damals noch zu jung und die Eltern keine James Last-Fans waren, die einen mal hätten mitnehmen können auf ein Konzert. Bei ebay bietet ein heute vermutlich Mitt- bis Enddreißiger ein Programmheft von 1970 mit Autogrammen von James Last und Katja Ebstein an. Habe er backstage bei einem Konzert ergattert, weil die Sicherheitsmaßnahmen damals noch nicht so schlimm waren. Und man als Kind da sowieso leicht hinkam. Da kann man mal sehen, was man damals alles hätte erleben können. Wenn die Eltern nur gewollt hätten… J´accuse!

Wär auch toll gewesen, wenn James Last bei jeder ZDF-Hitparade die Titelmelodie live gespielt hätte. Das wäre dann der einzige Titel gewesen, der auch ohne Wiederwählen nach drei Malen noch dabeigewesen wäre. War er ja auch so. Aber eben als Konserve. Oh Scheiße, ich ertappe mich gerade, wie ich bei der Fettpolka mitklatsche. Das kann echt nicht wahr sein, oder? Aber da kann man mal sehen, was diese Platte mit mir macht. Das, was alle Platten mit einem machen sollten. Wenn sie ihr Geld wert wären.

Mein Gott, gestern habe ich Musik gehört, die ich vorher nur verbal beschrieben bekommen habe. Vom Neon-Magazin und dem Musiker selbst: Pharell Williams von NERD. Den Beschreibungen nach hätte ich auf die thrillendste, unglaublichste Musik ever getippt. Es war wirklich so glaubwürdig und verheißungsvoll beschrieben. Es war ja auch quasi das gleiche Magazin, das modernen RnB als die futuristischte Musik beschrieben hat, die es derzeit gibt. Und da konnte ich vollauf zustimmen. Wusste genau, was sie meinen. Aber dann seh ich auf MTV gestern so´n Geknüppel und Gebrülle, dass ich dachte: das sollen NERD sein? Die diese traumhafte, zauberhafteste und fantastischste Musik ever machen?

Ich will damit nur sagen: hier kann Ihnen das nicht passieren. Diese Platte ist wirklich und ehrlich so toll, wie ich sage. Hier wird jeder Hörer, der sie erst auf meinen Rat hin hört, sagen: „Ja, stimmt. Frl. Katja hat wirklich Recht. Gut, dass wir Ihr vertraut haben. Diese LP wird fast meine neue Lieblingsscheibe werden.“
Denn: Sie hören hier ein Spitzenensemble. Super Intonation, tolle Klangfarben. Auch toller Raumklang, plastisch, förmlich zu greifen – und klingt wirklich nach einer großen Halle. Genauer: zwar nach einer großen Halle, wo ein Spitzenmann am Mischpult sitzt und die Klänge optimal abnimmt. Bestimmt wurde hier nicht im Studio nachgebessert, wie bei eigentlich allen andere Live-Platten. Ich hab mir da jedenfalls Geschichten erzählen lassen… Aber das hier sind bestimmt echte, authentische Aufnahmen. Höchstens aus verschiedenen Konzerten und Orten zusammengefriemelt. Aber das hör ich nicht so raus, ob das jetzt die Sowieso-Halle aus Toronto ist oder diese andere Halle aus Hongkong. Sonst wär ich damit schon längst bei Wetten, dass… gewesen. Und hier stört mich auch der kurze Beethoven-Ausflug nicht. Ist a) super gespielt. Und b) ist das die einzige Platte, wo nach einer „Romanze in F-Dur“ das „Theme from Shaft“ kommt.

Tolles Timing. Tolle Dynamik. Super Stimmung. Vibriert förmlich. Die Luft flirrt, die Vibes bringen den ganzen Raum zum schwingen. Ich weiß, meine Kategorien sind was für Grobmotoriker. Aber auch Grobmotoriker lieben Musik. Sie können sie nur schlecht beschreiben.

Deshalb können sie auch nicht sagen, warum genau das „Also sprach Zarathustra“ so toll nach Disco klingt. Und warum sie beim Russland-Medley förmlich dahinschmelzen. Es ist einfach so. Gott sei´s gepriesen. Auf dieser Platte ist sogar hörenswert, wenn das Orchester vorgestellt wird und jeder sein Solo spielen darf. In jedem Konzert eigentlich der Punkt tödlicher Langeweile. Hier die Minuten, wo die Musiker zeigen, wie Psychedelia klingen kann. Wie der ganze Rest: fantastisch!