Die Geschichte der Literatur steckt volle Mysterien. Warum verhütete der ach so schlaue Faust nicht, als er Gretchen beiwohnte? Warum lesen die Leute Krimis von Donna Leon, obwohl doch im Italienischen „Donna“ für „Lange“ und „Leon“ für „Weile“ steht? Bert F. Island, selbst ein Rätsel, hat ein weiteres Mysterium begründet.
„Ein Henker“, sagte der Mann im Nebel, „ein Henker ist kein Blumenstrauß, Mister…“
Hier, auf Seite 116, taucht er zum ersten Male auf, jener geheimnisvolle Satz, der mich seit Wochen beschäftigt. Was ist passiert? Kommissar X alias Jo Walker ist auf der Spur einer brutalen Bande, die ihrerseits ein Spielchen mit dem berühmten Detektiv spielt. Er kommt sich vor wie eine Marionette oder, wie es der Rückseitentext formuliert: „Noch nie war KX so geleimt worden wie in diesem Falle.“
Und wie das Krimiheftchenleben nun einmal so ist, bekommt KX kräftig eins auf die Nuss, und genau dann fällt dieser Satz.
Natürlich schafft es der gute alte Walker am Ende doch, den Bösewicht dingfest zu machen. Natürlich nicht, ohne von diesem davor noch einmal gehörig bedroht zu werden. Ich zitiere:
„Wo ist das Geld? Ich zähle bis drei. Wenn die Antwort ausbleibt, steckt dir die erste Kugel im Bauch. Die zweite etwas höher und die dritte im Hirn. Wenn du mich zum Henker machen willst, dann bitte. Aber ein Henker ist kein Blumenstrauß, wohlgemerkt!“
Hier ist er also wieder, so mysteriös wie zuvor. Gut, eine Interpretation aus dem Kontext liegt auf der Hand: Der Satz bedeutet schlicht, dass jemanden zum Henker zu machen keine romantische Angelegenheit („Blumenstrauß“) ist, sondern etwas sehr Ernstes.
Die Frage aller Fragen muss jedoch sein: Wie kam dieser Ganove zu dieser doch im Grunde sehr intellektuellen, da bildlich-metaphorisch komplexen Redewendung? Im Roman selbst wird er als Helfershelfer skizziert, ein Befehlsempfänger ohne geistigen Tiefgang, gerade einmal fähig, einen Roman von Donna Leon zu verstehen. Am Ende jedoch entpuppt er sich als Genie, und genau das steckt wohl hinter der ominösen Phrase vom nichtblumenstraußseienden Henker. Es ist ein Hinweis: Unterschätze diesen Kerl nicht, er ist schlauer als ihr denkt.
Nun, wie dem auch sei. Die versprochene wissenschaftliche Stilkritik hat jedenfalls zweifelsfrei Herrn C.H.Guenter als Autor hinter dem Pseudonym Bert F. Island identifizieren können. Kompliment, Herr Guenter! Ihr Stil weist Sie auch hier als jemanden aus, der die Pfeile, die er im Köcher hat, stets zielgenau abschießt.
Und man darf nie vergessen: Dieser Mann hat, unter anderem, über 300 „Mister Dynamit“ – Romane geschrieben (einer liegt gerade auf meinem Nachttisch und harrt der Lektüre). Das sind, übern Daumen, Stücker 50.000 Normalseiten oder, anders gesagt: Würde man alle Wörter nebeneinanderlegen, ergäbe das die Fläche des Saarlandes oder, noch anders gesagt: aneinandergelegt ließe sich daraus eine vierspurige Autobahn bis zum Mond bauen, ja, vielleicht noch darüber hinaus. Das weiß nur der → Oerindur Verlag allein, aus dem wir uns noch viele weitere Abenteuer dieses Mannes erhoffen. We’re watching you!