Auch außerhalb der Crime School macht man sich Gedanken über Krimis und ihre, hm, nennen wir’s mal: literarische Relevanz. Im →Forum von Tom’s Krimitreff etwa fragt Thomas Esther, die einen Roman von Charles Todd gelobt hat:
„man kann über Charles Todd lesen, dass er sehr literarische Krimis schreibt. Würdest du dies bestätigen?“
Esther antwortet:
„Es ist ein sehr stimmiger Krimi, für mich stimmt alles. Ist es das? Das habe ich auch gelesen, das steht auf dem Buch „Brigitte“ und ist von „Brigitte“ so verfasst worden.“
Was sind „literarische Ansprüche“? habe ich mich gefragt? Und bin nicht drauf gekommen! Echt! Entweder lese ich nur literarische Krimis oder das ist einfach so geschrieben. Wie lassen sich „literarische“ Krimis von anderen unterscheiden? Frage ich dich?“
Thomas fühlt sich, nicht zu Unrecht, in eine böse Falle gelockt, antwortet aber wacker:
„ich hatte gehofft, dass du mir diese Frage nicht stellst. Ich kann zwar gefühlsmäßig einen Roman dieser Gattung zuordnen, aber definieren…???
Um es mal ein wenig provokant und negativ zu definieren, je größer der Abstand zum Heftchenroman und seinen Gesetzmäßigkeiten, desto literarischer. Stimmig trifft es schon irgendwie. Oder auch: „ein dichter Plot mit wenig Ungereimtheiten sowie lebendigen Charakteren statt schablonenartigen Personen“.
Auch darf das Gehirn des Lesers ruhig ein wenig gefordert werden. Jedenfalls steht literarisch nicht für langweilig. Und auch nicht literarische Krimis können Literatur sein, wobei ich zum nächsten Definitionsproblem komme. Ich sag ja, böse Falle, Fremdwörter zu benutzen, deren Inhalt einem nicht so ganz klar ist….“
Und auch ein Happy End gibt es, denn Esther attestiert Thomas, sich wacker geschlagen zu haben und bestätigt:
„So ausgedrückt würde ich sagen, es ist ein literarischer Krimi!“
Natürlich bleiben auch nach dem Zuziehen dieses Vorhangs Fragen offen. Gibt es das Gegensatzpaar „literarischer Krimi“ und „einfach so geschrieben“? Ist ein Krimi stimmig, wenn für den Leser, die Leserin alles stimmt? Steht der „Heftchenroman“ quasi als Gegenpol zum „literarischen Roman“? Und – ist „literarisch“ tatsächlich ein Fremdwort?
Ich grüble noch, möchte aber wenigstens etwas zur Definition dessen beitragen, was keinesfalls literarisch ist. Und da ich ja kein Mann der Wörter bin, zitiere ich bloß, was mir heute zufällig untergekommen ist, nämlich aus einem angeblich von „12 preisgekrönten Autoren“ verfassten „Hotel-Roman“:
„Ein ferner Donner grollte, es lag Regen in der Luft. Taxis rauschten vorbei. Ein Trupp Fußballfans grölte den Endsieg herbei.“
Merke: Wer Fußballfans den Endsieg herbei gröhlen lässt (toller poetischer Einfall! Ganz neu!), einen Satz mit „vorbei“ abschließt und den nächsten mit „herbei“, wenn dazu noch „Regen in der Luft liegt“ wie ein enttäuschter Krimileser auf dem Sofa und der „ferne Donner“ wie in 400.000 Romanen vorher „grollt“, dann ist es „einfach so geschrieben“. Literatur klingt irgendwie anders.
Wie? Vielleicht, nein, ganz gewiss weiß es die ebenfalls in Tom’s Forum ihre Freistunden absitzende Gerda, Deutschlehrerin Sec. II. Jedenfalls widerspricht sie →Ludger Menkes Kritik der „Glauser“-Laudationes:
„Wo ich Ludger als Deutschlehrerin Sec. II ausdrücklich widersprechen möchte (da nehmen wir z. Z. nämlich gerade Rhetorik durch), ist die Beurteilung der Laudationes. Die fand ich außerordentlich warmherzig, passend und z. T. sogar brillant.“
Wie ich Ludger kenne, wird er mich anklagend fragen, warum wir in der Crime School fast nie Rhetorik durchnehmen. Hätten wir, wäre ihm der Verweis erspart geblieben. Aber so ist sie halt, die Crime School. Immer auf der Seite der Kritiker ihrer Schüler.