Friedrich Anis Mann im langen schwarzen Mantel ist glücklich zu Ende gelesen und durch die Rezensionsmühle gejagt worden. Ersatz ist schon da. Die Probleme beginnen am Wochenende.
Statt Ani jetzt also Hallgrimur Helgasons „Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein“. Klingt wie ein Krimititel, ist aber kein Krimi.
Ich zitiere:
„Ein Kind findet den reglosen Greis nahe dem einsamen Schafhof seines Vaters. Gastfreundschaft ist in Island heilig, daher nimmt der wortkarge Viehbauer den Findling auf.
Allmählich kommen dem Greis Erinnerungsfetzen: Ihm scheint, er kennte diese Leute, diesen armseligen Hof. Die Gespräche klingen seltsam vertraut, oft zu intim, auch hölzern oder sogar peinlich. Erst als der Alte zu seinem Entsetzen merkt, daß er offenbar vierzig Jahre in die Vergangenheit versetzt wurde, wird ihm klar, wo er ist. Und wer er ist: der berühmteste Schriftsteller Islands. Er ist offensichtlich in einem seiner Romane aufgewacht.“
Da klingt verdächtig nach Jasper Fforde, „Im Brunnen der Manuskripte“, aus dem ich mich verzweifelt zu entfliehen bemühe, ist aber, anzunehmen, doch ein anderes Kaliber. Der alte Schriftsteller ist natürlich Halldor Laxness, Islands ganzer Stolz, aber Helgason hat schon mit →„101 Reykjavik“ bewiesen, dass er ein legitimer Nachfolger des Alten werden könnte. Mal sehen. 600 Seiten auf die ich mich freue.
Giles Smith‘ „Lost in music“ fast fertig. Sehr schön. Viel gelacht, viel genickt. Mnemosyne schaute mir dauernd über die Schultern, bis ich sie „Kaffee kochen!“ schickte. Schnippmäuliger Abgang der Schönen.
Ja, und dann? Wer füllt die Lücke? Ein Krimi, keine Frage. Erwarte in den nächsten Tagen Nachschub aus deutschen Landen, von noir-real bis historisch-illusorisch. Oder doch mal was wiederlesen? An den Regalen (zwar IKEA, aber nicht „Billy“) vorbeischlendern. Beat Brechbühl, „Kneuss“, somewhere in the Seventies, glaub ich, war das. Einmal gelesen, ganz nett, sofort wieder vergessen. Ging aber wohl – he, Mnemo, hör auf mit Kaffeekochen, hilf mir lieber! – um das alte Dürrenmatt-Thema: Gut und Böse stehen sich im Zweikampf gegenüber. Kein Wunder, wenn man Brechbühl heißt und schon rein namensmäßig nicht behaupten kann, man habe seine Wurzeln in Dortmund oder Kiel.
Ach so: Dürrenmatt. Alles gelesen, weil Literaturkanon. Nicht sonderlich beeindruckt. Viel zu offensichtlich alles, da kann ich mir auch Böll reinziehen, was ich denn auch getan hab. Aber ich hab früher auch Genesis gehört und Yes. Lässliche Sünden der Jugend.
Dürrenmatt, wie gesagt. Einzig „Das Versprechen“ blieb, wegen dem Schluss. Nett. Im Rühmann-Film gibt’s natürlich ein Happy End, was sehr tief in die Psyche deutscher Krimigucker blicken ließ und den Geisteszustand etlicher deutscher Krimileser zu Beginn des 3. Jahrtausends auf das Grausligste antizipierte. Happy End. Alles aufklären. Keine Fragen offen. Warum wird mir eigentlich immer so schlecht, wenn ich mich durch deutsche Krimiforen lese?
Na, mal abwarten bis Samstag. Wenn dann nichts Neues auf dem Tisch liegt: Brechbühl revisited. Und das summer camp muss ich ja auch noch vorbereiten. Da machen sich die Schüler wieder mal gar keine Vorstellungen.