Wenige Leser von Kriminalromanen mögen ein Urteil fällen wie „spatz46“ aus Bad Waldsee, UrheberIn einer →„Lieblingsliste“ bei amazon.de zu Hammetts „Malteser Falke“:
„Zig mal gelesen, nie kapiert. Grandios.“
Die glücklichsten Leser sind allemal die, die nicht wissen, warum sie glücklich sind, wenn sie ein Buch lesen. Ich sage nicht, sie seien die schlauesten (immerhin haben sie „nicht kapiert“), aber die glücklichsten, doch, das sind sie wohl.
„Kapieren“ ist etwas, das ich stets mit „Schule“ assoziiere, mit dem süßen und allzu raren Gefühl, etwas von dem, das der Typ da vorne an die Tafel geschmiert hat, verstanden zu haben. Ich stelle mir gerade vor, Französisch hätte mich jemals so sehr fasziniert, dass mir der Ausruf entkommen wäre: „Zig mal unregelmäßige Verben gelernt, nie kapiert. Grandios!“ – nein, Entschuldigung, das kann ich mir nicht vorstellen, Schule war immer ein schlechter Krimi, den man nicht kapiert hat und auch nicht kapieren wollte.
Keine Literaturgattung bündelt das, was wir „Erwartungshaltungen“ nennen, in solchem Maße wie Krimis. Eigentlich bräuchten wir sie gar nicht mehr zu lesen (die meisten jedenfalls), weil wir ja eh wissen, was uns zu erwarten hat. Geschieht dies einmal nicht, sind wir enttäuscht und verärgert.
Ein Krimi wie der „Malteser Falke“ muss in diesem Sinne nicht „kapiert“ werden. Er ist ein Ort, an dem man sich gerne aufhält, ohne zu wissen warum. Ja, würde ihn „spatz64“ eines Tages kapieren, wäre der Zauber verflogen, und das Bändchen fände wohl nie mehr aus dem Gefängnis des Regals heraus.
Eine Variation des Bekenntnisses lautet übrigens: „Zig mal gelesen, immer kapiert. Weiterhin grandios“. Das sind die Krimis, die ich nicht mehr zu kapieren brauche, die aber, welch Sensation, auch dann funktionieren, wenn Spannung / Rätsel / Dramatik längst als Stimulanzien weggefallen sind. Gibt viel zu wenige davon, aber es gibt sie.
(Das war die zweite Lieferung einer Reihe mit dem Namen „Denkstapel“, auf den alles geknallt wird, was meiner nervösen Schreibhand gerade so einfällt. Könnte sein, dass dieser Stapel später einmal fein säuberlich abgearbeitet wird… Wer dieses Stapelgekritzel kommentieren möchte, sollte es tun.)