(Es hat zwar ein paar Jahre gedauert, doch das Warten hat sich gelohnt. „Das Souvenir des Mörders“, deutsche Übersetzung von „Black and blue“ des schottischen Autors Ian Rankin, wird allseits als Meisterwerk gelobt. Dr. Bernd Kochanowski hat das Original gelesen und kann nur zustimmend nicken.)
Sie sind mir suspekt: Diese endlosen Krimi-Serien mit zehn und mehr Büchern, die immer um die gleiche Zentralfigur kreisen. Was uns unter dem Vorwand der Entwicklung einer Person angeboten wird, entpuppt sich häufig als Masche. Aber, so muss ich zugeben, manche Autoren wie Ian Rankin schaffen es, ihre Serien weiter zu entwickeln und uns immer wieder mit neuen Inhalten und anderen Erzählstrategien zu überraschen.
Als Kritik am Seriengedanken ist es aber wohl nicht aufzufassen, wenn deutsche Verlage, eigentlich Sachwalter der Interessen eines Autors, bei ausländischen Autoren die eigentliche Reihenfolge des Erscheinens der Bücher einer Serien verändern. Ökonomische Gesichtspunkte sind hier wohl eher im Vordergrund zu sehen. So kommt denn, unter dem Titel „Das Souvenir des Mörders“, der deutschsprachige Leser erst jetzt in den Genuss des 1997 erschienenen und im gleichen Jahr mit dem „Gold Dagger“ ausgezeichneten Buchs „Black and Blue“ von Ian Rankin.
Rankin selber hat in einem Interview „Black and Blue“ als sein komplexestes und wütendstes Buch bezeichnet. Und in der Tat findet der Leser ein aufwändig konstruiertes Werk vor: Eine Mordserie aus den 70er Jahren, die unaufgeklärt blieb, dient einem Täter aus der Gegenwart als Vorbild, und der frühere Mörder macht sich auf die Suche nach seinen Imitator. Wir erleben zornige Polizisten von damals und heute, an denen die unaufgeklärten Morde nagen. Ein Arbeiter einer Ölplattform wird tot aufgefunden, und die Suche nach Täter und Motiv führt in die Halbwelt und zur Ölindustrie, sowie zu deren Problemen mit der Öko-Bewegung und den Umbrüchen, die das Öl in Nordschottland mit sich gebracht hat.
Es sind gewissermaßen zwei ineinander geschachtelte Geschichten, die da von Aberdeen aus, dem Öldorado Schottlands, südwärts greifen. Und Rankins John Rebus steckt – wieder einmal – in der Klemme. Ein früherer Fall, bei dem sein damaliger „Mentor“ sich womöglich regelwidrig verhielt, wird vom Fernsehen hochgekocht; was dazu führt, dass gegen Rebus ermittelt wird. Das alles fügt sich zu einem Hard-boiled mit britischen Charme. John Rebus der eigensinnige, aber gradlinige „Detective Inspector“ mit dem Hang zum Selbstzerstörerischen, hat Probleme mit Kollegen und Vorgesetzten, so dass er mehr gegen als mit der Polizei ermittelt. Und, so hat uns Rankin ja schon mehrfach gezeigt, das Milieu in Schottland scheut auch nicht vor dem Polizistenmord zurück.
Hier wird vom Detektiv aus gedacht und das auf hohem Niveau. Es geht nicht um die pseudopsychologische Durchdringung der Serientäter. Auch wenn die einzelnen Handlungsstränge manchmal nur Fäden sind, die zwischenzeitliche Sorge des Lesers, dass dem Autor dieses Werk aus dem Ruder läuft, bewahrheitet sich am Ende nicht. Rankin wird seinem großen Gestaltungswillen weitestgehend gerecht. Bei manchen Wendungen tut der Leser sich zwar ein wenig schwer, die Schlussfolgerungen Rebus’ nachzuvollziehen, aber von diesen kleinen Schwächen abgesehen ist es ein äußerst unterhaltsames Buch. Der Autor ist, „wütendstes Buch“ hin oder her, ein Menschenfreund. Er kann den Erzählrhythmus variieren und humorvoll schreiben.
Wie auch ein Vergleich des Titels der deutschen Übersetzung mit dem des Originals andeutet, lohnt sich dabei durchaus ein Ausflug ins englische Original. Man mag den Titel des Originals als Anspielung auf das Seelenleben Rebus oder als Würdigung des Ölplattformarbeiters auffassen. Man kann aber auch einfach, so wie Rebus, die gleichnamige Schallplatte der Rolling Stones auflegen. Der Titel des englischen Originals bietet eindeutig Freiräume zum Interpretieren. Rankin baut auch manchmal ohne Anführungsstriche und Hinweis für den Leser Originaltitel von Rocksongs ein. Diese dann gelegentlich zu erkennen, ist ein Spaß, der einem in der deutschen Übersetzung abgeht.
Dr. Bernd Kochanowski
Ian Rankin: Black and blue. St. Martin's Minotaur 1999, 352 Seiten, ca. 7,49 €
deutsch als "Das Souvenir des Mörders", aus dem Englischen von Giovanni Bandini, Goldmann 2005, 608 Seiten, 9,95 €