Lesenswert ist →ein Artikel in der heutigen Ausgabe der „Neuen Zürcher Zeitung“, der sich der in Großbritannien um sich greifenden Praxis des Selbstverlegens widmet. Ein kurzer Auszug:
„Besonders aufschlussreich waren die Aussagen der Schriftstellerin Joanne Harris. Von einem Verlag, sagte Harris, sei sie entlassen worden, weil sie nach ihrem Erfolg mit einem Vampir-Roman kein zweites solches Buch habe schreiben wollen; und noch ein Verleger habe ihr den Laufpass gegeben, weil sie diesem nach einem Thriller etwas ganz anderes vorgeschlagen habe.“
„Vanity publishing“ nennt man naserümpfend diesen Weg zum eigenen Buch, und es gibt Verlage, die die Eitelkeit einer von den etablierten Häusern ignorierten Kundschaft in hübschen Profit für sich selbst ummünzen.
Nun ist es sicher richtig, dass das Gros der via Selbstverlag (book on demand vor allem) in die Lesewelt geworfenen Texte nichts weiter ist als die Frucht einer beinahe ins Lächerliche gesteigerten Hybris. Andererseits: Wer sich ein wenig im Geschäft der Verlage und Literaturagenten auskennt, weiß, wie fernab von Qualitätsgedanken dort Entscheidungen getroffen werden. Nicht überall, natürlich nicht, aber die Suche nach dem Leichtgängigen, dem risikolos auf die Novitätentische der Buchhandlungen zu werfenden Buch hat inzwischen Züge angenommen, die nicht mehr allein mit dem legitimen Interesse der Produzenten an schwarzen Zahlen zu rechtfertigen sind.
Gängige Praxis von Literaturagenten ist es beispielsweise, Science Fiction generell und von vornherein abzulehnen. No chance. Krimis, die nicht „regional“ daherkommen und von Neulingen stammen, haben es um ein Mehrfaches schwerer als der 245. Eifelkrimi, zumal dann, wenn die legendäre „Schreibe“ nicht sofort an die niederen Leseinstinkte eines an Spannung, nicht aber an sprachlicher Qualität interessierten Publikums appelliert.
In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten für Autoren erfreulich verbessert, außerhalb der etablierten und der „Vanity“-Verlage zu publizieren. Sei es per book on demand, wo man bei überschaubaren Kosten und ohne große Lagerhaltung einen Titel auf den Markt werfen kann (der auch über die Onlineanbieter verfügbar ist) oder aber, schlicht, als Veröffentlichung im Internet. Dass auch hier nicht alles Gold ist, was einen schönen Einband hat, versteht sich. Eine Chance ist es dennoch, wenngleich die Vorstellungen, was eine Veröffentlichung sei, nach wie vor beim „regulären, in einem normalen Verlag“ erschienenen Buch verharren. So erreicht man etwa die Mitgliedschaft im „Syndikat“, der Vereinigung deutscher Krimiautoren, nur durch ein Nachweis eines solchen „Normalbuches“. Selbstverleger und Internetautoren? No chance. Was ich, unter uns gesagt, jetzt nicht dramatisch finde, aber bezeichnend ist es schon.
Also: ein klein wenig Horizonterweiterung täte not. Ein klein wenig Risikobereitschaft wäre auch nicht schlecht. Manchmal die bessere Strategie, siehe die erfolgreiche „metro“-Reihe des Unionsverlages, wo sich so einiges findet, was andernorts als unverkäuflich zurückgewiesen werden würde.
Lieber dpr,
„No chance. Krimis, die nicht „regional“ daherkommen und von Neulingen stammen, haben es um ein Mehrfaches schwerer als der 245. Eifelkrimi, zumal dann, wenn die legendäre „Schreibe“ nicht sofort an die niederen Leseinstinkte eines an Spannung, nicht aber an sprachlicher Qualität interessierten Publikums appelliert. “
wenn man sich die in den letzten 15 Jahren durch den DKP (immer wieder eine schöne Abk.) ausgezeichneten Schriftsteller ansieht, fällt ja auf, dass es einige gibt, die den Preis mehrfach erhielten. Und irgendwie habe ich den Verdacht dass die „drop out“ Rate unter diesen nicht gerade gering ist – Haas , Biermann, Ani (angekündigt) scheinen als Krimiautoren nicht mehr aktiv zu sein [andere scheinen Krimis nur als Hobby zu schreiben (Blettenberg) und wieder andere schreiben auch ´mal Krimis].
Kann es sein, dass sich für die meisten Autoren in Deutschland das Krimischreiben wirtschaftlich nicht lohnt und dass deshalb auch die Agenten und Verlage so zurückhaltend sind ? Dann läge es ja an uns, dem Publikum daran etwas zu ändern.
Mit besten Grüßen
bernd
PS
Mit anderen Worten, dass Deuschland zwar der zweitgrößte Krimimarkt der Welt ist (sagt Tess Gerritsen), aber keine Krimikultur besitzt.
Hallo Bernd,
ich lese mich im Moment mit deutschen Krimiautoren durch den Urlaub, und das ist, wirklich, erstaunlich kurzweilig. Gunnar Steinbach, Jaumann, Norbert Horst, Renate Kampmann – durchaus originelle Schreiber und meinetwegen auch gesunder Bodensatz für eine „Krimikultur“ – auf Autorenseite. Aber uns fehlt das Gleiche auch nur annähernd auf Seiten des Publikums, der Verlage, der Kritik. Natürlich mit Ausnahmen. Woran das liegt? Ich könnte jetzt wieder mit dem alten Lied vom „literarischen Krimi“ anfangen, damit, dass eben der Krimi irgendwann einmal aus dem Kanon der kulturell schützenswerten Sprachbauwerke herausgefallen ist etc. Oder über die teilweise erbärmliche Krimikritik lamentieren – hab ich aber alles schon gemacht, hilft natürlich nichts.
Letztlich wird es dem „anspruchsvollen“ Krimi so wie jeder anspruchsvollen Kunst ergehen: Sie wird sich bescheiden müssen, in einer Nische zu leben. Wirtschaftlich ist das selbstredend fatal. Vielleicht sollte man zunächst einen Regional-whodunnit mit Thriller- und Politeinschlag raushauen, eine Serienfigur etablieren und damit die Brötchen verdienen, während man das bessere Zeugs halt nebenbei schreibt. Ich weiß nicht.
bye
dpr
Ende der Eitelkeit 😉
Eine kleine Anmerkung:
Auch „namhafte“ Autoren veröffentlichen inzwischen ihre Krimis im verlag-der-criminale (oder ), denn die verschlurften deutschen Verleger haben ja nur noch ein Interesse am schnell verdienten Euro.
Als dann, load up and party on.
Paul Colmar
Hallo Paul,
ist natürlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu sehen. Lachend: Es tut sich was. Weinend: Kaum einer merkts. In den Buchhandlungen liegen die Sachen nicht aus, keine Werbung, nichts. Auch für Rezensenten wie mich ist es natürlich leichter, von den „normalen“ Verlagen Rezensionsexemplare zu kriegen. Bei den bods wüßte ich meistens gar nicht, wo ich mich hinwenden sollte. Und jemanden zerpflücken, der eh seine verkauften Exemplare an einer Hand abzählen kann, da hätte ich meistens Skrupel.
bye
dpr
Mit den namhaften Autoren im „Verlag der Criminale“ verhält es sich so: da die großen Verlage ihre Backlist in immer kürzerer Zeit ausdünnen, gibt der VdC diesen Autoren die Möglichkeit, ein aus dem Handel genommenes Buch wieder lieferbar zu machen. z.B. Breinersdorfers legendären „Hammermörder“. Dies ist eine der sinnvollsten Anwendungen von BoD, die ich kenne. Inwieweit es Original-Veröffentlichungen von bekannten Autoren dort gibt, kann ich nicht sagen. Allerdings betätigt sich der VdC auch als Erstveröffentlicher von Krimis unter normalen BoD-Bedingungen.
Liebe GRüße
Silvia
Hallo Sylvia,
genau um diese nicht ganz so namhaften Erstveröffentlicher geht es. Ich stimme dir zu, dass die Verfügbarkeit „ausgemusterter“ Titel eine der großen Stärken von BoD ist. Frau Nobelpreisträgerin Jelinek ist da genauso vertreten wie der von dir genannte Herr Breinersdörfer. Was mir bei meinen Recherchen aufgefallen ist: Es gibt kein, nun ja, „Zentralorgan“, das ein wenig für die Kommunikation und damit für ein bisschen PR zuständig wäre. Warum nicht einen „Newsletter“, der über Neuerscheinungen und Reissues informiert? Zu aufwendig?
bye
dpr