Sommerkrimi -7-

Mit einem Städtetripp nach Shanghai beschließen wir heute unsere kleine Reihe mit Sommerkrimis. Irgendwo vertraut, was uns an Verbrechen dort erwartet, aber doch auch fremd, überraschend und lehrreich.

Spielte „Schwarz auf Rot“ in Wuppertal oder Emden, könnten wir uns heute einen gemütlichen Kritikerlenz machen. Ein Mord, Polizeirecherchen, ein Täter, die üblichen Ingredienzien eines Whodunit eben. Nicht besser, nicht schlechter als das andere Gebräu. Aber Qiu Xiaolongs Roman spielt, der Name des Autors deutet es an, in China, genauer: in Shanghai, und das Gewöhnliche wird ungewöhnlich.

Eine Frau, ehemalige Rotgardistin und Geliebte eines berühmten Professors und Poeten, wird in ihrer kleinen Wohnung ermordet aufgefunden. Raubmord? Reich war sie nicht. Rache? Beliebt noch weniger. Politische Hintergründe? Von einem unveröffentlichten Roman ist die Rede, von Enthüllungen. Einige der vielen Hausbewohner hätten ein Motiv, Detailarbeit ist angesagt. Da das Opfer jedoch als „Dissidentin“ galt und die Parteiführung entsprechende Schlagzeilen in der ausländischen Presse fürchtet, drängt man auf schnelle und möglichst unproblematische Lösung des Falles.

Inspektor Chen ermittelt. Nein, eben nicht. Chen hat sich Urlaub genommen, um einen sehr lukrativen Übersetzungsauftrag für einen Baulöwen auszuführen. Also muss Hauptwachtmeister Yu die Ermittlungen in die Hand nehmen. Doch da Literatur eine Rolle spielt und Chen nur auf Druck von oben die Polizei- statt der Künstlerlaufbahn eingeschlagen hat, ist er natürlich mit von der Partie.

Und hier, in der Person Chens, verbucht „Schwarz auf Rot“ seinen dicksten Pluspunkt. Gewiss: Es geht um die Probleme des modernen China, die Gewinner und Verlierer des Wirtschaftsbooms, die alten Zeiten der „Kulturrevolution“ und ihre bis ins Jetzt reichenden Schatten. All das knüpft der Autor im Groben, aber auch in Nuancen sauber in seinen Krimi. Die Befindlichkeit der Menschen indes bündelt sich in Chen. Er hat einen im Grunde ungeliebten Beruf, Ärger mit seinem Vorgesetzten und weiß von vornherein, dass ihm der großzügige Übersetzungsauftrag nur mit einem Hintergedanken gewährt wurde, den man mit Korruption zutreffend benennen kann. Widersprüche, wohin man blickt, doch Chen versteht es, mit ihnen zu leben. Er zerbricht nicht.

Kaum auszudenken, durch welche depressiven Höllen ein derart gestrickter westlicher Protagonist wandeln würde! In Chen offenbart sich die historisch und gesellschaftlich bedingte Andersartigkeit der Chinesen, eine unseren Vorstellungen von Moral und Recht doch leicht fremde Mentalität, und schon das so spannend und kurzweilig serviert zu bekommen, macht „Schwarz auf Rot“ lesenswert. Dass es, wie schon gesagt, ein passabler Whodunit ist, rundet das positive Bild ab.


Qiu Xiaolong: Schwarz auf Rot. Zsolnay 2005, 302 Seiten, 19,90 €

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