Eine Büttenrede
„Liebe Närrinnen und Narren, ein dreifach donnerndes Helau!!! für das Praktikantinnenballett von Hinternet für diesen gelungenen Faschingstanz! Und wenn die Herren im Publikum ihre Erektionen verarbeitet haben, können wir weitermachen. Draußen steht ein Krimisüchtiger und will uns sein Leid klagen. Wolle ma ihn roi lasse?“
Als Kind schon hat ich Lesewut,
besonders Goethe fand ich gut.
Wie Faust das Gretchen munter schwängert,
hat manche Nacht mir schön verlängert.
Doch dann kam ich ins Pubertieren
und musste härtern Stoff probieren
Ich pubertier noch, wenn auch stiller,
und lese Krimis, Noir und Thriller.
Ich wurde, wies der Doktor nennt,
intellektuell dement.
Mein ganzes Sinnen, Denken, Trachten,
das dreht sich nur ums Menschenschlachten,
wer ist denn nun der Serientäter,
erfahr ichs gleich oder erst später?
Nur darum dreht sich meine Welt,
auch wenn sie auf die Schnauze fällt.
In Deutschland da reimt sich auf Krimi
ja leider nur die dicke Mimi,
die ohne Krimi nie ins Bett geht,
obwohl ihr Mann Gewehr bei Fuß steht.
Wer Thriller liest, nickt das bloß ab,
die Libido macht öfters schlapp,
und wer nur mit nem Krimi pennt,
wird längerfristig impotent.
Das war auch Sigmund Freud ganz klar,
der selbst ein Krimileser war.
Er saß auf seiner Krimicouch
und sagte „Och!“ und sagte „Autsch!“,
„Ich glaub, die lesen das nur gern,
weil selbst sie lieber Mörder wärn
als täglich im Büro zu sitzen
und ihre Triebe auszuschwitzen“.
„Wer Krimis liest“, fuhr Siggi fort,
„der kompensiert den Massenmord,
indem er manisch drüber liest,
und harmlos ins Bewusste fließt,
was unbewusst im ÜBERICH
das ES bekämpft, ganz fürchterlich.“
Genug gedacht, war es auch schön,
jetzt les ich weiter Ed McBain“.
Nein, es gibt Schöneres im Leben,
als jeden Triebstau zu beheben.
Wer wars?, das ist die große Frage,
die uns beschäftigt all die Tage.
Wer hat den Mann mit spitzem Stahl
traktiert, bis er ward voll letal,
wer hat die Frau mit Gift gemeuchelt
und seine Trauer nur geheuchelt?
Am liebsten sind mir jene Leichen,
die meiner Exfrau Gudrun gleichen.
Da wird mir wohlig bang und bänger,
der Krimi selbst wird lang und länger,
bis dann auf Seite drei-vierhundert
man sich denn doch bisweilen wundert,
warum noch immer nichts passiert.
Und dennoch man aufs Schwarze stiert.
Ein Krimi ist halt Zeitvertreiben,
er schneidet unsre Welt in Scheiben
und schiebt sie uns ins offne Maul.
Zum Kauen sind wir viel zu faul,
doch lässt sich auch so alles schlucken,
solang die Mörder finster gucken
und dann am Schluss sich alles klärt.
Die Welt ist wieder ausgekehrt.
Es wird im schönen deutschen Land
der Krimi nicht sehr anerkannt.
Und nur bei Mankell und Leon,
da jubelt auch das Feuilleton.
Denn Litratur sind Krimis selten,
so hört man manch Gelehrten schelten,
und wenn schon Krimi, dann nur Schiller
oder’n Droste-Hülshoff-Triller.
Was soll ich Leser machen nur?
Gern ging ich zur Entziehungskur,
um mich vom Krimi zu befreien
und voller Freude einzureihen
ins Glied der ganz normalen Leute,
die gestern, morgen und auch heute
nur Rilke lesen, Grass und Schmidt.
Ach komm, Kultur, und nimm mich mit!
Stattdessen bin ich Blogbetreiber,
ein Tag für Tag nur Krimischreiber,
ein Jahrbuch, man kanns → hier bestellen ,
legt die Gedanken mir in Wellen,
den Holtei Carl, den alten Sack,
hab ich verlegt fürs Krimipack,
und eines weiß ich, Gott sei dank:
Ich lese Krimis! Ich bin krank!
Bevor ich diese Red beende
und mich dem Kriminalroman zuwende,
noch eine Weisheit ganz zum Schluss:
Wer Krimis liest, hat einen Schuss.
Wer sie zu ächten stets beteuert,
der ist hingegen schwer bescheuert.
Das nämlich weiß ich ganz genau:
Der Krimi lebt! Alaaf! Helau!
(Narrhalla-Marsch….Abgang des Redners nach Überreichung des Ordens wider den tierischen Regionalkrimi)
„Das war Spitze! Und jetzt werden uns unser Prinzenpaar, Anobella die Zwölfte und Ludger der Erste, mit ihren neuesten Fassenachtshit beglücken! Am Totensonntag bin ich geboren… Applaus für Anobella und Ludger!“