Im Krimiblock werden flüchtige Einfälle zu laufenden Projekten notiert. Ganz grob, skizzenhaft, nicht durchgeformt, Blitzlichter eben. Heute: Psychologie, Plots – und Klappentexte
Die Psychologie schreibt die Klappentexte für die Seele.
So einen Satz muss man herleiten; er kommt nicht von ungefähr. Er kommt aus einer Befindlichkeit heraus, der, dass man mich schon immer mit „psychologischen Krimis“, „Psychothrillern“ gar, jagen konnte.
Vielleicht, weil ich Sigmund Freud für einen cleveren Plotter halte, mehr nicht. Er hat das zu einer reißerischen Geschichte geformt, was es in der Literatur schon immer gegeben hat. Die Kiste mit Überich und Ich und Es, die hat u.a. Carl von Holtei 1856 aufgemacht und als Krimi verpackt: „Schwarzwaldau“. Zum Thema Psychothriller ist den Autoren seit Edgar Allan Poe auch nix grundlegend Neues mehr eingefallen. Poe, ja, genau, aber nicht nur die drei Geschichtelchen, mit denen er den Krimi erfunden haben soll („entdeckt“ wäre besser: Der Krimi lag nämlich immer schon irgendwo rum und wartete darauf, als literarische Form entdeckt und mit einer Ästhetik ausgestattet zu werden), sondern das Gesamtwerk.
Dann also Freud, der Plotter. Hübsch, aber eben nur Plots. Plots sind wichtig für die erzählende Literatur, aber nicht für die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit plottet nicht.
Aber wie komme ich da überhaupt drauf? Ach ja, Freud noch mal. Vladimir Nabokov hat Freud einen Kurpfuscher genannt und ihm noch viele andere unerfreuliche Berufsbezeichnungen angehängt. Vor allem, weil Nabokov wusste, dass Plots immer nur die Oberfläche der Texte beschreiben, klappentextmäßig halt. Nabokov selbst hat furchtbare Plots gemacht, wie übrigens alle großen Dichter furchtbare Geschichten erfunden haben.
Das ist jetzt relativ. Furchtbare Geschichten, weil jeder Ritter des Mittelmaßes, jede Minne der Minimalbegabung daraus auch furchtbare Romane gemacht hätte. Aber Nabokov ging es nicht um die Plots, die immer logisch sein müssen, nachvollziehbar, eingängig – freudianisch eben. Ihm ging es um das, was er mit der Sprache anstellen konnte, um Konstruktionen, um Abläufe, die unplottable sind und unter dem, was beschreibbar ist, lauern wie die Klapperschlange auf die weiße Maus.
Psychologische Krimis nun. Sind das, was von der Wirklichkeit übrigbleibt, wenn man sie erklären will. Manche dieser Dinge lesen sich wie die 300seitigen Klappentexte, die sie ja auch sind.
Das ist jetzt wieder hin und her gehüpft, und mir ist, als ich das geschrieben habe, auch eingefallen, wie ich wieder die Kurve zu dem kriegen könnte, was ich eigentlich sagen will. Aber das ist dann der Plot, das ist Klappentext. Der lauten könnte: Astrid Paprotta ist keine Psycho-Anneliese.
dpr