Noch einmal gratis: alte Krimis.

So, ich hab jetzt das Vorwort für die Broschüre mit den Leseproben der Stücke fertig, die im Jahresband 2006 der „Criminalbibliothek des 19. Jahrhunderts“ abgedruckt sein werden. Das Heftchen gibt es kostenlos und unverbindlich, hier. Und jetzt das Vorwort:

Vorwort

Es gibt Dinge zwischen Literatur und Wissenschaft, die scheinen sich auszuschließen. Triviales kann nicht „literarisch“ sein, Unterhaltungsliteratur nicht politisch und die Geburt des deutschen Kriminalromans aus dem Schoß der „Gartenlaube“ kein Ereignis, um das man sich groß zu kümmern hätte.

Das ist jetzt ein wenig, aber auch nur ein wenig pointiert. Tatsächlich sorgte die Beschäftigung mit dem deutschsprachigen Krimi des 19. Jahrhunderts auch bei mir für einen vor Verblüffung geöffneten Mund. Ich hatte „Unterhaltung“ erwartet und ich bekam sie. Aber mehr noch. Diese Unterhaltung, wie sie vor allem in den Familienzeitschriften seit 1850 („Die Gartenlaube“ voran) dargeboten wurde, war politisch. Sie war liberal im ursprünglichen Sinne, die Autoren nicht selten Verfolgte, Emigrierte, Gepiesackte, die ums tägliche Brot schreiben mussten, aber auch um die tägliche Würde, die tägliche Vision von einem freiheitlichen Deutschland oder Österreich.
Die drei längeren Kriminalgeschichten im Jahresband 2006 der „Criminalbibliothek des 19. Jahrhunderts“ sind somit nicht nur spannende Unterhaltung. Jede reflektiert auf ihre Art auch die politischen und gesellschaftlichen Zustände der Zeit.

Jodokus Donatus Hubertus Temmes „Ein Amnestirter“ (1862) führt uns in die Schweiz (wohin der Autor nach 1848 emigriert war) und konfrontiert uns mit den Schattenseiten des Exils ebenso wie mit der andauernden Verfolgung der Flüchtlinge durch die deutsche Justiz. Darum gewoben eine stimmungsvolle und tragische Kriminal- und Liebesgeschichte, dramaturgisch geschickt inszeniert und sprachlich von jener Präzision, die den Juristen Temme allgemein auszeichnet.

„Der tolle Hans“(1871) von Adolf Streckfuß scheint dagegen nichts weiter als ein spannender Krimi der „Wer-wars“-Machart. Ein Raubmord ist geschehen, ein Verdächtiger rasch ermittelt, die Untersuchung läuft. Das alles jedoch ist antiklerikal unterfüttert (und beruht auf den Details eines berühmten authentischen Falles), „der tolle Hans“ ein Anarchist und Freigeist und somit seinem Schöpfer nahe, der wie Temme unter der politischen Reaktion hatte leiden müssen (und es dennoch später zum „Ehrengrab“ brachte; aber das ist eine andere Geschichte).

Benno Bronners „Der Herr von Syllabus“ (1872) nun ist, auch wenn sie im Untertitel „Eine Criminalnovelle“ genannt wird, alles – nur keine Criminalnovelle. Ein Pamphlet der Reaktion, könnte man sagen, ein offener Angriff auf die „Romanleserei“, die „Gartenlauberei“, das Liberale, das moderne Theater, die moderne Erziehung, das angebrochene Industriezeitalter… und doch: Von allen drei vorgestellten Geschichten hat „Der Herr von Syllabus“ das überraschendste Ende, eine Metaebene sozusagen. Hier schreibt einer, der genau weiß, wie gefährlich das sein kann, was wir heute „harmlose Unterhaltungskrimis“ nennen mögen, einer, der auch tatsächlich SCHREIBEN kann, so elegant und witzig wie wenige Zeitgenossen. Ein berufsmäßiger Schriftsteller war er indes nicht, der Herr Bronner, und Herr Bronner hieß er auch nicht, aber mehr verraten wir hier schon gar nicht.

In dieser Broschüre finden Sie aus allen drei Texten Leseproben, zumeist vom Anfang, die ein Bild von Sprache und Dramaturgie vermitteln sollen. Und eine vierte Probe ist beigegeben. Sie stammt aus Emilie Heinrichs’ „Leibrenten“ von 1867, einem heute nicht nur völlig vergessenen, sondern auch in Bibliotheken und Antiquariaten kaum noch auffindbaren Roman, dessen radikale Gesellschaftsanalyse und resigniertes Fazit allein die Neubelebung rechtfertigen. Damit aber nicht genug: Souverän ineinander verschlungene Handlungsfäden ergeben ein Zeitbild von größter Plastizität, ein Bild, das uns mehr über die „Denkweisen“ jener Zeit verrät als ganze Regalmeter Geschichtsliteratur.
Auch hier staunen wir.

Der Jahresband 2006 der „Criminalbibliothek des 19. Jahrhunderts“ erscheint im September / Oktober 2006. Er wird ca. 320 Seiten stark sein und zum Subskriptionspreis von 20 € (für Direktbezieher von „Schwarzwaldau“ 18 €) abgegeben, danach kostet das Buch 24 €. Die Subskriptionsfrist endet mit dem Erscheinen. Lieferung gegen Rechnung inklusive Porto und Verpackung.
„Leibrenten“ von Emilie Heinrichs ist für das Frühjahr 2007 vorgesehen, Umfang und Preis etwa wie beim Jahresband 2006. Der Titel kann ab sofort subskribiert werden.
Bestellungen und Fragen bitte an dpr@hinternet.de. Oder postalisch: Dieter Paul Rudolph – Gänshornstr. 5 – 66440 Blieskastel.
Und die Webseite: www.alte-krimis.de

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