Abgang Mickey Spillane

Mickey Spillane hat die Welt, die er abgebildet hat, verlassen. Er starb, 88jährig, am 17. Juli 2006 in Murrells Inlet, nahe Charleston / South Carolina.

„Anyone who doesn’t recognize Spillane’s importance is an idiot.“ Max Allan Collins

So gesehen, war ich ein Idiot, als mir jener Held namens Mike Hammer, der so agierte wie er hieß, zum ersten Mal über die Weg gelaufen ist. Nein, den Begriff „Pulp“ kannte ich damals noch nicht, „hardboiled“ war etwas, das ich mit Eiern in Verbindung brachte, Krimi etwas, das irgendwo zwischen Friedrich Dürrenmatt und Raymond Chandler chargieren musste, wollte es von mir ernst genommen werden.

Ich befand mich in guter Gesellschaft. Sex und Gewalt, Menschenverachtung und Vorurteile in rauhen Mengen: Das waren Dinge, die in der Literatur nur geduldet wurden, wenn sie wohlverpackt in Kultur und Sprache daherkamen, moralisch in den Teig eines längst verinnerlichten wohlfeilen „Humanismus“ geknetet. Einer wie Spillane, ein Krimiautor obendrein, ein schändlicherweise auch noch erfolgreicher, hatte keinen Platz in dieser feinen Gesellschaft.

Ein Romanleben. Am 9. März 1918 in Brooklyn, New York geboren, bald mehr Jobs als Lebensjahre, Fluglehrer im Zweiten Weltkrieg, danach, aus blanker Existenznot, zum Kriminalschriftsteller geworden. Schon das Debüt, „I, the Jury“ (deutsch: Ich, der Richter), 1947 veröffentlicht, macht uns mit Mike Hammer bekannt, der aus einem schlechten Comic entsprungen zu sein scheint (tatsächlich begann Spillane seine schriftstellerische Laufbahn nach dem Highschool-Studium als Comictexter) und so gar nichts von einem Krimihelden hat, auch nichts von einem Philipp Marlowe, der sich, verglichen mit Hammer, wie ein Sensibelchen durch die Abgründe der Gesellschaft grübelt.

Ein Schläger, ein Zyniker, ein Opportunist bisweilen, weder moralisch noch amoralisch – Es brauchte seine Zeit zu erkennen, dass die Welt, die Mickey Spillane abbildete, durchaus die wirkliche war – wirklicher jedenfalls als die der hohen und hohlen Phrasen „guter Literatur“ – und einen Protagonisten brauchte, der sich ihr gewachsen zeigte.

Dass Spillane bei all dem kein großartiger Stilist war, kein Erfinder subtiler Plots, dass Mike Hammer sich selten aus seiner Eindimensionalität löste und einem das bisweilen auf die Nerven gehen konnte – geschenkt. Das Publikum liebte ihn, Film und Fernsehen adaptierten die Stories, bis 1971 erschien ein knappes Dutzend der so grobschlächtigen wie doch exakt abbildenden Romane, daneben etablierte sich ein zweiter Held namens „Tiger Mann“, doch der Mythos Spillane blieb immer auch der Mythos Hammer. Ende der Achtziger gab Spillane dem Drängen von Verlag und Fans nach und schickte den flinkfäustigen Mike zurück ins Rennen. Nostalgisch war das, mehr nicht, aber die Legende war längst zu Ende gedacht.

Die Legende. Wie das halt so ist: Mickey Spillane war nicht Mike Hammer. Kein Zyniker. Er zog sich immer mehr zurück, verfasste (durchaus wohlwollend aufgenommene) Jugendbücher, heiratete dreimal, hatte vier Kinder, war seit 1951 Mitglied bei den Zeugen Jehovas. Seine Bedeutung für den Kriminalroman? Nun ja; wenn sie nur darin liegen sollte, welche wie mich von intellektueller Arroganz halbwegs geheilt zu haben, wäre sie schon beträchtlich.

dpr

Näheres zu Leben und Werk findet man →hier (englisch) und →hier (deutsch). Ein ausführliches Interview gibt es bei den Kollegen von →crimetime

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