Kurz vor dem Offenbarungseid? Mehr Krimis gelesen als Georges Simenon geschrieben hat? Stets bereit, die Tinte aus der Feder sprudeln zu lassen, bevor die Ideen aus dem Hirn fontänen? Mit einem Wort: Skrupellos genug, ein(e) deutsche(r) Kriminalschaffende(r) zu werden? Nun denn, wohlan. In unserer neuen kleinen Sommerreihe erklären wir dir, wie du es schaffst, ein Erfolgskrimiautor zu werden und nach 300 Seiten die ersten Millionen an die Pforte deiner Sparkasse klopfen zu hören. Wir geben dir die ultimativen Ratschläge, wie du wenigstens vier Millionen Krimileser erreichst. Das ist wissenschaftlich bewiesen! Und wie du somit, bei einem durchschnittlichen Honorar von zwei Euro pro Buch (gebunden, Schutzumschlag) 8 Millionen Euro vor Steuern einsacken kannst. Denn vier Millionen mal 2 macht acht Millionen. Das ist mathematisch bewiesen! Heute: – Und wie schreib ich den ganzen Mist?
Wir haben uns in den vorangegangenen Folgen unserer kleinen Reihe, die clevere AutorInnen über Nacht zu MillionärInnen macht, ausgiebig mit der Handlung des zu schreibenden Romans beschäftigt und stehen nun vor der entscheidenden Frage: WIE soll man das Ding eigentlich schreiben?
Hier ist im Vorteil, wer nie etwas wegwerfen kann und also in einer staubigen Kiste auf dem noch staubigeren Speicher sämtliche schriftlichen Schularbeiten der seligen Jugendzeit gehortet hat. Kramen wir aus dieser Kiste zunächst die Deutschaufsätze der, nun sagen wir: 7. Klasse hervor, einer Zeit, in der uns so langsam dämmerte, dass der liebe Gott die Mädchen nicht nur erschaffen hatte, damit man sie an den Haaren ziehe und ins Wasser des Schwimmbades tunke, nein, wo uns klar wurde, dass Mädchen auch zum Strümpfestopfen, Wäschewaschen und Zuckerstückchen-Ausgeben an den Klapperstorch zu gebrauchen sein würden. 7. Klasse also, Deutsch, Aufsatz, Thema: „Wie ich meine großen Ferien verbracht habe“.
Das war nicht nur noch die Zeit, in der uns jeder Satz mit mehr als sieben Wörtern suspekt war, sondern auch schon die, in der unser gesellschaftspolitisches Gewissen neben den Wirrungen des Sexus aufkeimte. In einem meiner Aufsätze aus jener Zeit liest es sich so:
„Dann gingen wir in die Pizzeria. Dort bestellten wir die große Salami. Der dunkle Italiener brachte sie uns. Wir dachten: Armer Italiener. So fern von der Heimat. So wenig akzeptiert. Immer noch zu viele alte Nazis. Dann aßen wir die Pizza. Sie schmeckte gut.“
Diese Mischung aus Knapp- und Betroffenheitsdeutsch hat etwas, man wird es nicht leugnen können. Knallharter, schnörkelloser Reportagestil mit eingearbeitetem sozialen Gewissen und politischer Reflexion, eine Mischung aus Hemingway und Mutter Theresa. Das kommt an, damit schnappen wir uns spielend eine Million LeserInnen. Die nächste kriegen wir, wenn wir die Aufsätze der 10. Klasse heraussuchen und sorgfältig studieren.
Ja, die 10. Klasse! Unsere Blicke galten längst mehr den Wölbungen der Mitschülerinnen als der Schultafel, auf der dieser langweilige Deutschlehrer in großen Lettern die Elemente des dialektischen Aufsatzes geschrieben hatte: These – Antithese – Synthese. Auch hierzu ein authentisches Beispiel:
„Brandt ist ein toller Bundeskanzler, weil er die Jugend anspricht, aber ein schlechter, weil er die Ostgebiete verscherbelt. Insgesamt kann man also feststellen, dass Brandt ein ganz durchschnittlicher Bundeskanzler ist.“
Das nennt man – obacht! – analytisch, und darauf steht der normale Krimileser. Erspart es doch eigenes Nachdenken, serviert die Synthese auf dem Tablett, und, ja, jetzt muss es uns nur noch gelingen, beide Elemente des bestsellertauglich geschriebenen Krimis organisch zu verbinden. Versuchen wir es.
„In der Pizzeria bediente uns Mario. Mario war Italiener und sah gut aus. Er schnappte uns alle Mädchen weg. Das war Scheiße. Andererseits war Mario Gastarbeiter. Keiner hatte ihn lieb. Das war gut so. Wenn Mario an Italia dachte und weinte, mochten wir ihn. Mehr als den Altbundeskanzler Brandt. Der hatte auch immer die tollsten Weiber. Und die Ostgebiete verscherbelt.“
Man beachte, wie fein versponnen hier die nüchternen Bestandteile der Dialektik sich in die Handlung integrieren, wie klar die Gedanken aus dem Text steigen, wie sexuell-schwülstig alles aufgeladen ist und wie explizit die Aufarbeitung eines Stückes neuerer deutscher Geschichte erfolgt! Das versteht jeder! Das kauft jeder! Und genau darauf kommt es schließlich an.
*liebt dpr´s schreibschule
*ruft georg auf den plan, der KEIN APOSTROPH! anmahnt; aber wie sieht denn das aus – dprs schreibschule? dpr – was sagst du dazu?
„Anmahnt“ ist ein zu starkes Wort, Anobella. Ich gestand noch, vielleicht, unter Zögern, und nur dir, ein: „(Nagut, vielleicht dichterische Freiheit wg. besserer Erkennbarkeit…)“
Liebe Schülerin Anobella,
theoretisch hat Hilfslehrer Georg recht. Es ist ja auch ein Graus mit der inflationären und völlig hirnrissigen Verwendung des Apostrophs. In deinem speziellen Fall jedoch kann man ihn abnicken, da er hinter einem Namenskürzel steht und dieses in seinem Urzustand erhält, indem das Genetiv-s quasi separat gesetzt wird. Das schafft Klarheit zu Lasten der Sprachkorrektheit und sollte also toleriert werden.
Mit besten Grüßen
der Krimisprachlehrer
*beckerfaust
**triumphierender blick zu georg
Hab ich doch gleich gesagt. Oder was?