D.B. Blettenberg: Land der guten Hoffnung

Ein merkwürdiger Krimi ist das. Der Leser wird auf eine ihm wohlvertraute Fährte gesetzt, doch bevor sich seine Expertennase an den Geruch des Plots gewöhnt hat, ist man auch schon am Ziel. Das passiert in „Das Land der guten Hoffnung“ gleich mehrmals und hat Methode. Eine gute Methode.

Helm Tempow, früher in der Entwicklungshilfe tätig, arbeitet jetzt als privater Ermittler. Er soll in Südafrika den Entführer einer Hamburger Reederstochter aufspüren, seine Anhaltspunkte sind vage, doch Helm ist optimistisch und reist ans Kap der Guten Hoffnung. Während sich der Leser auf 280 Seiten Suche mit Showdown einrichtet, blettenberglike mit viel Realpolitik und Querschnitten durch die soziologischen Verhältnisse.

Dass rasch auch die ehedem Entführte auf der Bildfläche erscheint, weil sie den Gesuchten ebenfalls finden will – er ist der Vater ihrer in der Gefangenschaft freiwillig empfangenen Tochter -, gehört mit zum Spiel. Dann, sehr unvermutet, ist der Mann auch schon gefunden. Aber er ist nicht der eigentlich Gesuchte. Dieser wiederum taucht nach einigen wenigen weiteren Seiten auf, ohne große Dramatik, ohne wirkliche Verwicklungen.

Nun gut; einige Zeugen, die zuviel wissen und zuviel reden, müssen sterben. Mehr oder weniger willkürlich, für die Handlung selbst ist es ohne Belang und wird auch lediglich erwähnt, nicht gezeigt. Unerfüllt bleibt auch die Lesererwartung, es beginne nun für Helm Tempow, der entschieden mehr herausgefunden hat, als für ihn gesund sein kann, ein Kampf um Leben und Tod.

Doch je mehr uns diese erwarteten Szenarien eines „privaten“ Krimis düpieren, desto deutlicher schält sich ein anderer Krimi aus dem Ereignissen. Ein Krimi, der Gegenwart und Vergangenheit des Landes abbildet, in denen er spielt: Südafrika. Der Konflikt zwischen Täter und Opfer, auf der privaten Ebene durch den Kleinkrieg zwischen dem Entführer und der Entführten dargestellt, wird zum eigentlichen Gegenstand des Romans.

Man könnte Blettenbergs Strategie in einem ersten, spontanen Urteil einen „Missbrauch“ des Genres nennen. Er lockt uns auf eine andere, höhere Ebene, die – und deshalb ist es eben KEIN Missbrauch – aber AUCH Krimi ist, Krimi im Großen. Die eigentliche Kriminalhandlung kommentiert, bebildert, macht greifbar, was an ungelösten Konflikten in Südafrikas Gegenwart schwelt. Am Ende wird auch das Opfer der Entführungsgeschichte schuldig, und das wohl ist die Blettenbergsche Prognose für den Fall Südafrika: Unschuld kann es nicht geben.

Mit „Land der guten Hoffnung“ hat D.B. Blettenberg einen weiteren Beleg für die These von den vielfältigen und längst noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten des Kriminalromans geliefert. Er weiß seine kleine Geschichte sauber und unterhaltsam zu erzählen und skizziert seine große ohne Belehrung. Gelungen.

D.B. Blettenberg: Land der guten Hoffnung. 
Pendragon 2006. 285 Seiten. 19,90 €

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