Dieses Buch ist ein Phänomen. Out of print überspringt es bei Auktionen regelmäßig die 20 Euro Marke. Es scheint also recht begehrt zu sein. Die Frage, ob der Limes-Verlag ein Geschäft verschläft, oder eine Minderheit Allesleser sich sehnsüchtig nach diesem Psycho-Kammerspiel verzehrt, ist vermutlich spannender, als der Schmöker selbst.
Zwei-Personen, die sich über gut 200 Seiten bekriegen, das klingt nach Ehedrama, ist in diesem Fall aber das Katz und Maus Spiel, welches ein Paradepsychopath mit seinem Opfer betreibt. Schlicht geschrieben, zu keinem Moment glaubhaft, wartet das Buch mit dem lächerlichsten Serienmörder und der hysterischsten Opfer-Heldin auf, die man sich nur vorstellen kann. KANN, aber nicht will.
Das ist eine misslungene Rumpelstilzchen – Version – wobei ich nicht weiß, ob Rumpelstilzchen eine ähnlich katastophal-ödipale Beziehung zu seiner Mutter hatte wie der Antiheld in der „Höhle“ –, mit einem besserwisserischen Stilzchen in der Hauptrolle, das aus Versehen oder Resignation ein ältliches Rotkäppchen mit kolossalem Nervfaktor festgesetzt hat. In dieser Schultheateraufführung reiht sich Klischee an Klischee, von der übermächtigen Mutter, dem hochbegabten, voyeuristischen Außenseiter mit der Sehnsucht erlöst zu werden, bis zu einer weiblichen Hauptfigur, die angeblich Psychologin sein soll, um deren Praxis man im echten Leben aber einen ganz weiten Bogen machte müsste. Denn ihre Erkenntnisse der menschlichen Natur bezieht Frau Doktor anscheinend aus den Klappentexten einschlägiger True-Crime Literatur. Abhängigkeiten werden ständig behauptet, funktionieren aber nur, weil sämtliche Beteiligten (es sind nicht allzu viele) daran glauben möchten.
Schlimmer noch, es wird ihnen von der Autorin aufoktroyiert. Dabei ist „Die Höhle“ vor allem eins: frauenfeindlich. Dominante Huren oder naive Opfer (immerhin weit über 100 vermutete) ansonsten ist da nichts. Das man Helen „Heldin“ Myers (definitiv keine Hure) nicht einen schnellen Tod wünscht, liegt nur daran, dass der kleinwüchsige Serienkiller noch erbärmlicher als seine Antipodin dargestellt wird. Das sie am Ende überlebt, folgt den Gesetzen der kleinen Schreibschule für minderbemittelte Autor/Innen, unglaubwürdig ist es allemal. Denn jemand, der mit nichts anderem als Erkenntnissen wie „Wie lang waren die Ketten, die uns mit der Vergangenheit verbanden? Das Böse war schon immer der Kamerad des Menschen gewesen.“ brillieren kann, dürfte schon beim unbeschadeten Überqueren einer Einbahnstraße seine Schwierigkeiten haben. Gerade wenn die Übersetzerin pfadfindermäßig geholfen hat…
Ach übrigens, falls jemand einen super Psychothriller demnächst für mehr als 20 Euro ersteigern möchte, ich hätte da was im Angebot… die Höhle von einem Buch. Hölle.. Hölle… Hölle! Ja, ich sehe die Verfilmung schon vor mir: Wolfgang und Nina Petry/i in den Hauptrollen. Die Höhle als sie selbst. Da kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
„Menschliches Leid war immer ein Rätsel, Lenny.“
„Ja? Dann ist die ganze Welt voller Rätsel.“
„Sie ist voller Rätsel. Hören Sie zu.“
Rätselhaft. Aber Zuhören bei diesen Dialogen des Grauens? Och Gottchen, nöö.
Die letzte Seite. Endlich….
Jochen König
Anne McLean Matthews: The Cave. Warner Books 1997
(deutsch: "Die Höhle", Fischer 1998, weitere Ausgaben bei Fischer und Limes 2002)