Frank Göhre: Der letzte Freier

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Schnellzüge befördern schnell und zügig von A nach B: Vorteil. Sie verwischen die Landschaft vor den Augen: möglicher Nachteil. Sich zwei Stunden in ein spannendes Buch vertiefen: Konsequenz. Verbirgt sich hinter Ziel B die flirrende Mainmetropole, zollt man der legendären Lebedame Nitribitt Tribut und widmet sich dem Themen Dirnenmord. Frank Göhre, „Der letzte Freier“.

Und das ist witzig: Göhres Erzählung ist der Schnellzug unter den bisher erschienenen Titeln der „Kaliber .64“-Reihe. Mikrokapitel von manchmal kaum einer Seite Umfang, rasch auf- und abtretendes Personal, knapp skizziert, ein gemischtes Ermittlerduo, das keine 200 durchgrübelten Seiten braucht, um endlich doch ins Bett zu hüpfen, dann selbstverständlich die Dirne selbst (Umfeld: Hamburg, Reeperbahn), die ihr Leben genregerecht aushaucht. Schicksale sind das im Halbdutzend. Menschen machen sich verdächtig, geraten in Situationen, die sie nicht beherrschen, so fegt man von Station zu Station, wie der Zug, der einen trägt, an Details hält man sich nicht auf, macht der Zug ja auch nicht, der Kleinbudenheim oder Mittelschallstedt ohne Drosselung der Geschwindigkeit einfach durchrast.

Und irgendwann die Lautsprecherdurchsage: Krimiauflösung, alles bitte aussteigen. Wie, schon da? Nach einer Fahrt / Lektüre ohne Verspätungen, zickiges Zugpersonal, streng parfümierte Damen auf dem Nebensitz. Die mitreisenden Figuren unaufdringlich, aber konturlos, der Bahnhof schließlich, sprich: die Auflösung so zweckmäßig altbekannt wie Bahnhöfe / Auflösungen es eben sind. Keine Überraschungen, keine A’s, keine O’s.

Man kann das positiv sehen: ein geradliniger Krimi auf Schienen, und das ohne ICE-Zuschlag. Man kann das negativ sehen: ein Krimi ohne Ecken und Kanten, keine Kuh steht auf den Geleisen, kein betrunkener Pfälzer zieht die Notbremse. Man kann das weder so noch so sehen: nette Unterhaltung, die einem das Zurkenntnisnehmen einer durchquerten Rheinland-Pfalz ersparte.

Wie man es auch sieht: Kaum ist man die Rolltreppe zur S-Bahn runter, hat man alles vergessen: die Zugfahrt, den Krimi, die Auflösung, den Bahnhof. Vor einem die telefonierende Frau in Schlabbershirt und Lederhose. „Hallo, Denise, wie geht’s Mann und Kindern? Pass auf deinen Sohn auf!“ So ist das. Neue Abenteuer warten längst.

dpr

Frank Göhre: Der letzte Freier.
Edition Nautilus 2006. 63 Seiten. 4,90 €

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