Die Eifelkrimis des Michael Preute alias Jacques Berndorf befinden sich längst jenseits der Kritik. Ein Verriss wird ihm kaum Leser abspenstig machen, ein enthusiastisches Lob kaum neue zuführen. Berndorfs Romane sind – nein, nicht Kult (inzwischen ist ja fast alles Kult), sie sind Rituale, Gottesdienste, deren Ordnung sich seit dem ersten Auftauchen des Pfeifenfetischisten Siggi Baumeister keine Spur verändert hat. Man kann das nur konstatieren; aber kritisieren?
Gottesdienst ist das Stichwort. In „Eifel-Kreuz“ geht es, der Titel schon legt es nahe, um die Kirche. Die katholische, genauer gesagt. Ein achtzehnjähriger Gymnasiast wird gekreuzigt aufgefunden, zuvor hat man ihm eine Kugel in den Kopf geschossen, auch einer jungen Frau, die man zur gleichen Zeit im Wald entdeckt, ist dieses Schicksal zuteil geworden. Sofort formiert sich die alte Trutz- und Wagenburg des Guten in der gar nicht mehr so idyllischen Eifel. Baumeister und seine Seniorenriege (Rodenstock, Emma, Tante Annie) nebst jugendlicher Verstärkung in Gestalt von Baumeisters Tochter, die erkannt hat, lesbisch zu sein und mit Freundin anrückt. Im Verlauf der Geschichte werden weitere Personen zu dieser Allianz des Guten stoßen, die abgängige Tochter liebloser Eltern etwa, auch die Frau eines Lehrers, der Selbstmord begangen hat.
Das kennen wir alles. Auch die unrealistisch reibungslose Zusammenarbeit mit der Polizei, die Bereitwilligkeit von Zeugen, alles auszusagen, was der Wahrheitsfindung dient, der ziemlich überzogene Schluss. Die katholische Kirche gerät ins Visier der Ermittler, ihre Untaten und dubiosen Geschäfte, die auch vor Zwangsprostitution nicht haltmachen (wir befinden uns unmittelbar vor der Fußballweltmeisterschaft, die ja angeblich auch zur Weltmeisterschaft der käuflichen Liebe werden sollte). Was uns Berndorf hier erzählt, ist aller Ehren wert. Er ortet den Katholizismus mit seinen Zwängen als einen der Gründe für die Rückständigkeit der Eifel, was ihm dort keine Freunde machen dürfte, aber an heißen Themen verbrennt sich der Journalist Preute gerne die Finger, sei es nun Umweltverschmutzung, Militärgehabe oder Imkreisherumfahren lauter Rennenwagen. Nur bleibt es doch immer journalistischer Aufklärungsimpuls, eine literarische Bearbeitung der Stoffe findet nicht statt und wäre vom Berndorf-Publikum so auch kaum erwünscht.
Und dennoch: Berndorf hat es geschafft, im Laufe der Jahre die Eifel als einen Ort zu etablieren, an dem man Gut und Böse hübsch sauber voneinander getrennt in ihrem ewigen Kampf studieren kann. Man muss ihm zugute halten, dass er seinen Schauplatz dabei nicht missbraucht. Obwohl die Eifelkrimis jenen Boom des „Regionalkrimis“ bescherten, der uns wiederum mit schrecklichster Feierabendprosa beglückte, mag man Berndorf für diese Entwicklung nicht verantwortlich machen. Seine Eifel ist nicht einfach nur fremdverkehrsamtlich ausgeschlachtete Kulisse, kein Marketingprodukt. Sie ist der Ort, an dem solide, durchaus unterhaltsame Krimis spielen – die man mögen kann, aber nicht mögen muss. Hinter denen ein professioneller Autor mit wackeren Absichten steht, dem es gelingt, Atmosphären zu schaffen, wie sie Krimifreunde nun einmal mögen: klare Fronten, schlimme Verbrechen mit garantierter Sühne, hübsche Landschaften und Identifikationsfiguren aus dem Bilderbuch der Lesepsychologie.
Berndorfs Status erhellt auch der von Grafit-Verleger Rudger Booß herausgegebene Band „Eifel-Täter“, eine reichbebilderte Hommage an den Autor anlässlich seines 70. Geburtstages. Dieser erweiterte und akualisierte Band, der erstmals zum 65. Berndorfs aufgelegt worden war, verbindet stimmungsvoll fotografierte Eifellandschaft, Autoransichten und Fanverbeugungen zu einem schlüssigen Bild. Idylle inmitten der rauen Gegenwart, genau austariert, gemütlich und verworren zugleich. Wie die Eifelkrimis. Das ist – ja doch, nennen wir es am Ende wirklich so: Kult. Für die Anhänger der einzig wahren Berndorf-Kirche, die mit „Eifel-Kreuz“ sogar erstmals eine Eifel-Bibel in gebundener Form mit Schutzumschlag in Händen halten können. Halleluja!
Jacques Berndorf: Eifel-Kreuz.
Grafit 2006. 315 Seiten. 17,90 €
Rutger Booß (Hrg.): Jacques Berndorf - Eifel-Täter.
Grafit 2006. 176 Seiten. 14 €
Also, ich kann mir nicht helfen. Aber das hört sich an, als wäre es ein grauenvoll geschriebener, holzhackermäßig konstruierter, platter Hausfrauen- & Gutmenschenkrimi. Vielen Dank für die Warnung.
Nicht ganz, lieber George. Nicht grauenvoll geschrieben, sondern solide clever. Holzhackermäßig konstruiert: sagen wir: stromlinienförmig. Gutmenschenkrimi: Nu ja, das irgendwie schon, wenngleich die üblichen Gutmenschenverdächtigen als bigott entlarvt werden. Wie gesagt: Liest sich ohne schädliche Rückstände weg. Und das wars denn auch schon.
bye
dpr
Wenn ich dich mal zitieren darf:
„die alte Trutz- und Wagenburg des Guten“ / „Das kennen wir alles. Auch die unrealistisch reibungslose Zusammenarbeit mit der Polizei, die Bereitwilligkeit von Zeugen, alles auszusagen, was der Wahrheitsfindung dient, der ziemlich überzogene Schluss.“ / „journalistischer Aufklärungsimpuls, eine literarische Bearbeitung der Stoffe findet nicht statt“ / „klare Fronten, schlimme Verbrechen mit garantierter Sühne, hübsche Landschaften und Identifikationsfiguren aus dem Bilderbuch der Lesepsychologie“
Grausig hört sich das an, grausig, grausig.
Vergleich das mal mit der von dir so geschätzten, kaum überschätzbaren Astrid Paprotta. Dann werden die Abgründe noch deutlicher.
Na, dann halt mal das Gegenzitat:
„Seine Eifel ist nicht einfach nur fremdverkehrsamtlich ausgeschlachtete Kulisse, kein Marketingprodukt. Sie ist der Ort, an dem solide, durchaus unterhaltsame Krimis spielen – die man mögen kann, aber nicht mögen muss.“
Man kann Berndorf aus der Perspektive eines auf „Mehrwert“ erpichten Lesers natürlich in die Pfanne hauen. Allerdings gibt es ein Recht von Lesern auf nicht allzu banale Unterhaltung. Und die bietet Berndorf durchaus, bei allen Dichotomien wie gut/böse, schön/hässlich. Das ist kantenlos; seine Katholizmuskritik – obwohl mir schon sympathisch – anekdotisch, wie Joachim Feldmann es in seiner Besprechung zutreffend genannt hat. Dass sie mir tausendmal lieber ist als Münchner Mönchsgeschwurbel, sei nur am Rande erwähnt. Lieber hübsche Unterhaltung als hübsch in die Hose gegangene Großliteraturversuche. Berndorf hat inzwischen einen Eifelkosmos geschaffen, in dem sich Hunderttausende wohlfühlen. Sollen sie. Ich gönne ihnen das. Berndorf ist Profischreiber. Es gibt, auch das nur nebenbei, sogar Profischreiber von Groschenromanen, und auch sie – den gewaltigen C.H. Günther erwähne ich in diesem Zusammenhang immer wieder gerne – schätze ich mehr als Möchtegern-Literaten. Nein, man kann über Berndorfs Krimis nicht „nachdenken“ – über die von Astrid Paprotta übrigens auch nicht (hier wirds aber komplexer), wenn man Nach-Denken als semantisch verwandt mit Nach-Kauen betrachtet. Ich kaue nicht gern Zeugs, das andere schon im Mund hatten.
Summa: Wer Eifelkrimis liest, weil er die Eifel mag oder den pfeifelnden Baumeister oder den inzwischen wohlbekannten Personen- und Handlungskosmos, der soll sie lesen. Es gibt wahrlich Schlechteres.
bye
dpr
>>den gewaltigen C.H. Günther
Er heißt entweder C.H. Guenter (Autorenname) oder Karl-Heinz Günther (Realname)