Sara Paretsky: Feuereifer

Vic Warshawski denkt nicht an Ruhestand. Wohl ist Sara Paretskys Detektivin nicht mehr die Allerjüngste und überdies – wenn nicht sie, wer dann? – „Kult“: Aber gar so heil ist Chicago nicht, dass es auf eine wie Vic verzichten könnte, um im Spagat zwischen Reichtum und Armut zu beweisen, wie doch beide Extreme zusammengehören.

Dabei hat unsere Heldin eigentlich überhaupt keine Zeit für Verbrechen. In einer sentimentalen Sekunde hat sie zugesagt, die Basketballmannschaft ihrer früheren Highschool in South Chicago zu trainieren. Ihren Freund, Journalist, hat es in Afghanistan bös erwischt, er braucht Pflege. Leider hat sich in seiner Wohnung eine englische Kollegin eingenistet, die über den „sozialen Brennpunkt“ South Chicago eine Reportage schreiben will und Vics Eifersucht schürt.

Und dann passiert es. Sabotageakte in einer Firma, die Flaggen herstellt, ein kleiner Auftrag für Vic, der unversehens ausufert, als die Fabrik abbrennt und ihr Inhaber gleich mit ihr. Die Spuren führen zu By-Smart, einem sogenannten global player auf dem Feld des Gemischtwarenhandels, und nur ein Schelm denkt an naheliegende Unternehmen der Realwelt. Hier jedenfalls herrscht die Familie Bysen noch patriarchalisch, nur der Enkel ist peinlicherweise zum Gutmenschen mutiert und treibt das familientraditionell gepflegte Christentum etwas zu weit.

Was nun folgt, ist Vic Warshawski wie man sie kennt. Unverfroren, offen, vor keiner Gefahr zurückschreckend. Und immer bekommt sie ihre Abreibung, immer steht sie der Polizei in Gestalt des Exgeliebten Conrad im Weg, aus dem sie auch andere räumen wollen, versteht sich. Das zieht sich über 446 Seiten und ist eigentlich manchmal etwas des Guten zuviel. Vic landet mehrmals im Krankenhaus, wird notdürftig zusammengeflickt und stürzt sich sofort wieder ins Getümmel.

Aber gerade die Schwächen des Romans verweisen auf seine Stärken, ja, auf die Stärken von Vic Warshawski und ihrer Schöpferin im Allgemeinen. Gut, es hätte auch etwas weniger Action sein können, manche Verwicklung ist denn doch zu verwickelt und am Ende hat unsere Heldin alle Hände voll zu tun, den Fall als logische Abfolge von Ereignissen zu präsentieren. Nur: unglaubwürdig ist das nie. Paretskis Beschreibungen der Lebenssituation der „kleinen Leute“ etwa kippt keineswegs in die bekannten Sozialklischees ab, das Psychogramm der Familie Bysen ist in seinen Automatismen schlüssig, und wenn der Fall auch als erledigt zu den Akten gelegt werden kann – erledigt ist er eben nicht, der Gerechtigkeit nicht genüge getan, nur alles übertüncht, durch großzügige Geldzuwendungen beruhigt.

Mit dieser Vic Warshawki hat Paretski eine Figur erschaffen, aus deren Perspektive selbst klischeetriefendste Situationen ihre von der Natur mitgegebene Peinlichkeit verlieren. Es ist die Art, wie sie etwa die Lebenssituation einer berufstätigen Mutter und ihrer vier Kinder wahrnimmt, die jeden Verdacht, hier werde ein Thema lediglich pflichtgemäß abgehakt, gar nicht erst aufkommen lässt. Da verzeiht man den einen oder anderen überflüssigen Schlenker gerne und ohne zu zögern, zumal ja auch – geben wir es ruhig zu -, mit jeder weiteren Narbe an Vics unsterblichem Körper die genregemäße Kurzweil zunimmt. Also mit Feuereifer ins nächste Gefecht, Mrs. W.

Sara Paretsky: Feuereifer. 
Goldmann 2007
(Original: „Fire Sale“, 2005, deutsch von Sybille Schmidt).
448 Seiten. 19,95 €

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