Thomas Raab: Der Metzger muss nachsitzen

Jetzt hat es schon wieder einer gemacht. Ein Österreicher natürlich. Lustigen Krimi geschrieben, wundert uns nicht. Was erwartet man anderes von einem Volksstamm, der mit dem Hang zum Morbiden geboren wird und als seinen Lieblingsplatz nicht wie unsereiner „die Natur“ oder „den Hörsaal“ angibt, sondern ganz spontan lächelnd „den Zentralfriedhof“. Der Tod schreckt sie also nicht, das Schreiben schon gar nicht. Ergebnis, siehe oben: lustige Krimis. Nach Haas, Steinfest, Slupetzy – vom göttlichen „Kottan“ nicht zu reden – nun der Raab. Österreicher. Musiker eigentlich. Jetzt auch Krimiautor. Und, sieh mal an: ein guter.

„Der Metzger muss nachsitzen“, und der Metzger, das ist derWillibald Adrian, Restaurator und Junggeselle, etwas dicklich und Mittvierziger, trinkt gerne Wein und denkt nur noch ungern an seine Schulzeit, weil sie ihn da immer gequält haben. Dann aber stolpert er, weinselig und buchstäblich, über die Leiche seines früheren Oberpeinigers Felix Dobermann. Später ist die Leiche natürlich verschwunden, der Metzger indes mittendrin in einem veritablen Mordfall. Irgend jemand will es so, irgend jemand hat ihn auserkoren, die Vergangenheit, nun ja, zu restaurieren. Und die ist so eindeutig und abgeschlossen nicht, die wartet auf einen wie den Metzger, der die ganze Tünche abkratzt, um dahinter die Wahrheit zu erkennen.

Das ist jetzt natürlich nicht per se lustig, und wer den österreichischen Erzählschmäh eh nicht mag, wird’s sogar unsäglich finden, dieses freie Assoziieren, Abschweifen, Geschichterlnmachen, in skurrilen Bildern erzählen. Darauf muss man sich einlassen beim Raab, man kann sich anfangs schon denken, hm, das ist ziemlich manieriertes Zeugs, zwar nicht gerade Haas oder Steinfest, aber auch nicht weit davon entfernt. Und wenn man dann weiterliest – man sollte es schon tun -, kann man immer noch denken, hm, immer noch ziemlich manieriertes Zeug, dieser Metzger und seine ganze Schulmischpoke, die gehen mir auf den Geist, aber dann ist man selber schuld, weil man gar nicht mitgekriegt hat, was der Thomas Raab da angestellt hat.

Er hat uns nämlich ganz beiläufig schwadronierend den Willibald Adrian Metzger herausgeschält, aus einem harmlosen, reichlich uninteressanten Halboriginal eine sehr tief und ergreifend geschilderte Figur gemacht, einen richtigen Menschen, der einem schließlich ans Herz gewachsen ist, obwohl ein nüchterner Krimikritiker so etwas ja eigentlich nie sagen sollte. Aber es ist immer erbaulich, wenn man beim Lesen plötzlich erkennt, wie da einer, den man zuerst für eine Witzfigur gehalten hat, sich allmählich von seiner eigenen Witzigkeit emanzipiert. Wie er sich verändert, selbst darüber erstaunt, wie sich damit überhaupt die ganze Welt um ihn herum verändert, die dann nicht mehr halb so witzig ist, wie sie beschrieben wird. Schön ist das; aber, da Krimi, eben nicht genug.

Doch, siehe: Der Raab hat von Anfang an gewusst, dass er einen Krimi schreiben will. Ein Krimi ist eben nicht nur die Blaupause für österreichische Humorkostproben, er ist ein Roman mit Rätseln, mit Spannung, mit dramaturgischen Anforderungen. Und die Geschichte vom Metzger, der sich dranmacht, den Tod seines Peinigers aufzuklären und also noch einmal alle anderen Protagonisten seiner unseligen Schulzeit in ihren Jetztzuständen besichtigt, diese Geschichte also ist ein intelligenter, verschlungener und letzlich sogar NICHT grandios an der Logik scheiternder Krimi.

Thomas Raab: Der Metzger muss nachsitzen. 
Leykam 2007. 288 Seiten. 19,90 €

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