Paul Cleave: Der siebte Tod

Natürlich konnte der deutsche Titel nicht “Der Putzmann” lauten, aber statt des präzisen, sarkastischen “The Cleaner” des Originals „DER SIEBTE TOD“ in Großbuchstaben auf den Buchdeckel zu setzen, zeugt mal wieder von der Vermessenheit der Ahnungslosen. Denn wenn, geht es um die ‚siebte Tote’ oder den ‚siebten Mord’, die/ der nicht in die blutige Reihe passt, für die der „Schlächter von Christchurch“ verantwortlich zeichnet. Der deutsche Titel, von einem fettem Blutkreuz unterteilt, suggeriert eher einen Thriller für bibelfeste LeserInnen, die den DaVinci Code als Tattoo auf dem Steißbein tragen. Weit gefehlt.
Ein Serienkiller, der Frauen vergewaltigt und tötet macht die neuseeländische Stadt Christchurch unsicher. Sechs Morde gehen bislang auf sein Konto, dann wird eine siebte Leiche gefunden.

Und der Killer ärgert sich. Denn diesen Mord hat er nicht begangen. Und so beginnt er seine eigenen Ermittlungen, die ihm den Täter und einen wunderbaren Sündenbock auf’s Paradedeckchen liefern. Wenn, ja, wenn da nicht die leicht einfältige und verliebte Krankenschwester Sally wäre, die sich am Ende klüger als die Polizei erweist. Die Polizei? Spielt tatsächlich eine Rolle, teilweise sogar in exponierter Stellung. Aber der Protagonist ist kein professioneller Ermittler, sondern Joe Middleton, der „Cleaner“ des Originals, das scheinbar minderbemittelte Faktotum, das als Putzhilfe das Polizeirevier pflegen darf, in dem die Ermittlungen zum Fall des Schlächters von Christchurch betrieben werden. So ist er immer im Besitz der Ermittlungsakten, wird von den redseligen Beamten auf dem Laufenden gehalten und kann seine Fäden spinnen, ein gerissener Arachnoider in Gestalt einer harmlosen Stubenfliege.

„Niemand ist perfekt. Und ich bin niemand!“ sagt Joe von sich selbst. Diese Überheblichkeit lässt ihn übersehen, dass es jemanden gibt, der ihn, den scheinbar so tumben Toren, achtet und liebt.
Frauen sind der größte Schwachpunkt in Joes Leben. Sei es seine herrschsüchtige Mutter, die er halbherzig aus dem Weg zu räumen versucht, seien es seine Opfer, die er kaltblütig in einem Akt zerstörerischer Liebe umbringt, sei es Melissa, die Joe in einer extrem drastischen Szene eines Teiles seiner Männlichkeit beraubt und trotzdem – oder gerade wegen ihrer bewaffneten Rigorosität – zur Liebe seines Lebens wird, oder eben Sally, die den Unbedarften und Wehrlosen beschützen und sein Leben retten will.

„This is not America“, sang David Bowie, und Pat Metheny spielte Gitarre dazu. Aber sie meinten nicht das beschauliche Christchurch mit seinen rund 345000 Einwohnern, das von einer typisch amerikanischen Plage heimgesucht wird: dem gemeinen Serienkiller. Nein, wenn man Melissa, mitzählt sind’s sogar zwei Serientäter, die das adrette Städtchen unsicher machen. Das ist einer der Schwachpunkte in Paul Cleaves ansonsten über weite Strecken gelungenem Debütroman. Das ständige Schielen nach amerikanischen Medienstandards, den teilweise plumpen Verweisen auf Forrest Gump und Hannibal Lecter und alles, was dazwischen liegt – wie z.B. die thematische und inhaltliche Nähe zu Jeff Lindsays „Darkly Dreaming Dexter“ (dt., Des Todes dunkler Bruder). Ich hoffe, da liegt kein Plagiatsvorwurf in der Luft…. Dabei hat Cleave das gar nicht nötig. Seine bitterböse Geschichte trägt sich selbst, die Beschreibung von Joes Befindlichkeiten sind gelungen, genügend Einfälle und Szenen strotzen vor lakonischem Witz – Joes Betrachtungen über die Geisteswelt seiner beiden Goldfische Jehova und Pickle würden auch zum philosophischen Traktat taugen, seine verzweifelten Versuche den Mörder der Beiden zur Strecke zu bringen sind Slapstick pur -, es gibt Spannendes zu entdecken, und alle Figuren interagieren so, dass ihre Glaubwürdigkeit nicht auf der Strecke bleibt.

Gut, das Buch könnte kürzer sein, manche Gags und Entwicklungen werden zuschanden geritten; die Vernichtung von Joes linkem Hoden steht in ihrer gewalttätigen Darstellung auf einsamem und verlorenem Posten, Sally bekommt zu viel und Melissa zu wenig Raum. Doch diese unausgegorene Unbekümmertheit macht auch einen Teil des Charmes des Romans aus. Cleaves Buch ist ein Konstrukt, dass seiner eigenen Medienverliebtheit beständig Kerzen anzündet , um sie sofort wieder auszublasen: so war das denn doch nicht gemeint. Allein der Kniff, den so überlegenen, gerissenen und genau planenden Joe zum Opfer solch eines schlichten Gemüts werden zu lassen, dass er selber zu sein vorgibt, ist ein perfider Schachzug. Und folgt einer Konsequenz: das Weibliche ist dem Männlichen überlegen – auch in den Untugenden: von der Widerstandsfähigkeit (Joes Mutter), über deduktive Logik (Sally), bis hin zum kaltblütigen Killen (Melissa). Dass das Ende offen für eine mögliche Fortsetzung bleibt, geht ebenfalls aufs Konto der Damenwelt. So und so.

Paul Cleave: Der siebte Tod. 
Heyne 2007
(Original: „The Cleaner“, Random House Neuseeland 2006, deutsch von Martin Ruf).
416 Seiten. 7,95 €

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