In den Annalen der deutschsprachigen Kriminalliteratur nach dem 2. Weltkrieg sucht man den Namen Christian Freyhofer vergebens. Lebens- und Werkspuren hat er öffentlich nicht hinterlassen, ein einziger Roman (der auch vom NDR verfilmt wurde) findet sich bisweilen in den Listen der Antiquariate, den Wühlkisten der Flohmärkte: „Das dunkle Spiel“.
Das Buch ist undatiert, vieles spricht für eine Veröffentlichung Anfang der 50er Jahre. Eine Spionagegeschichte. Ein Agentenring des britischen Geheimdienstes arbeitet im Nazideutschland der Kriegsjahre, vor allem den Entwicklungen der „Geheimwaffe“ V2 gilt ihr Interesse. Man ist gut organisiert, hat glaubwürdige Legenden entwickelt, fähige Mitarbeiter rekrutiert. Eine davon ist die junge Evelyn Bader, eine 21jährige Engländerin, die eigentlich Bates heißt und in einer Gärtnerei arbeitet, wo auch Duscher, Techniker der Gruppe, Unterschlupf gefunden hat. Doch bald entpuppt sich diese Gruppe als von der deutschen Spionageabwehr ferngesteuert, Doppelagenten haben das Heft in der Hand, Kompetenzgerangel bei den deutschen Dienststellen entlarvt die Konstruktion und bringen Evelyn, die Hauptperson des Romans, gleich mehrfach in Gewissenskonflikte.
Freyhofer ist kein Meister der Spannungsdramaturgie, kein Hohepriester des suspense, dennoch liest sich der Roman kurzweilig. Manchmal auch hakt die Logik, so wird etwa nicht so ganz klar, wie die junge Evelyn sich überhaupt in dieses Spionagenetz verstricken konnte. Klar indes ist, warum sie es tut, warum alle anderen es tun: Pflichterfüllung.
Genau hier hebt sich Freyhofers Roman aus der Masse der Unterhaltungskrimis seiner Zeit. Er ignoriert die naheliegenden Verlockungen, sein Thema moralisch auszufüttern oder reißerisch zu verwässern. Böse ist nicht, wer seine Pflicht erfüllt, sei es auch im Dienste einer „bösen Macht“. Das reduziert den Roman letztlich auf die Abläufe der Agentenarbeit, auf „das dunkle Spiel“, das natürlich ein Spiel mit Regeln ist, ein Spiel mit Hierarchien und eigener Dynamik, das nur die Spielverderber, die Verräter ächtet, gleichwohl es sie ebenso instrumentalisiert wie die „ehrlichen Idealisten“. Seltsam distanziert kommt das daher, auch als sich Evelyn in einen deutschen Offizier verliebt, der vorgibt, auf ihrer Seite zu sein, es aber in Wirklichkeit nicht ist, bleiben die erwarteten Emotionen aus. Gut und Böse existieren in dieser Welt nicht, der Offizier, obgleich „Feind“, versucht Evelyn zu retten, die aber nur eines will: Rache an den Verrätern.
Kommen wir aber zum wichtigsten Punkt: der Sprache. Sie ist, wie es die Geschichte auch dringend verlangt, schnörkel- und emotionslos, die Dialoge knapp, prägnant, selten ein Wort zuviel. Sie ist dem, was da erzählt werden soll, angemessen, diesem nüchternen, kalten Spiel, das auch die Gefühle instrumentalisiert.
„Er wartete draußen und stieg dann mit ihr die Straßenbahn. Sie löste eine Kurzstrecke. Er tat das Gleiche. Sie saß wenige Meter vor ihm, er hielt sich an einer Lehne fest. (…) Er dachte an sein Häuschen in Oranienburg, an die Johannisbeerernte und sein bestes Legehuhn, das ‚Zieper’ hieß. Lag sicher schon wieder ein Ei im Schuppen, so weiß wie Schnee.“
Eine karge Sprache also, die im Widerspruch zum „thrill“ des Handlung steht (in obigem Zitat: die Beschattung Evelyns durch einen gegnerischen Agenten), aber in Wirklichkeit genau diese Handlung kommentiert. Das ist bisweilen die Sprache, wie man sie zur Formulierung von Gebrauchsanweisungen verwendet, weit ab von dem, was gemeinhin als „literarisch“, gar „dichterisch“ durchgeht. Aber sie passt. Sie schafft jene besondere Atmosphäre, in der sich die Handlung bewegt und in der sie zugleich vexiert wird, eine Atmosphäre, in der Schauspieler zu agieren scheinen, Menschen, die sich strikt an das Textbuch halten. Das erinnert, im Ansatz wenigstens, an J.D.H. Temme, den deutschen Altmeister der dank Sprachökonomie im Wortsinne „ernüchterten Kriminalerzählung“.
„Das dunkle Spiel“ taucht, wie anfangs gesagt, des öfteren im Altpapierhandel auf und sollte nicht nur Experten für Spionageromane zum Ankauf animieren. Wer Sprache nicht nur als reines und letztlich in seiner Form beliebiges Transportmittel von Handlung schätzt, kann hier studieren, was sie darüber hinaus zu leisten vermag. Kein Geniestreich, aber ein Dokument zum besseren Verständnis dessen, was Krimi sein könnte, wären die große Mehrheit seiner ProduzentInnen nicht mit dem Design windschlüpfriger Spannungsstandards beschäftigt.
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dpr