Karin Slaughter: Gottlos

(Vorbemerkung der Redaktion: Krimikritik ist eine Sache für gereifte Menschen. Mindestens 40 sollte man schon sein, erfahren in allen Dingen des Lebens, auch in den Abgründen der menschlichen Seele zu Hause. Keineswegs also ist Krimikritik eine Beschäftigung für Menschen auf dem Höhepunkt ihrer Pubertät, wenn die Hormone verrücktspielen und man – wie unser Azubi Jochen – das Fräuleinchen Anobella immer so komisch anguckt. Zum Beweis veröffentlichen wir im Folgenden eine Rezension dieses Jochen, welche sich mit der bekannten und beliebten Kriminalschriftstellerin Slaughter in einer Art und Weise auseinandersetzt, die wir natürlich vollständig ablehnen. Immerhin stand „Gottlos“ auf der KrimiWelt-Bestenliste, wurde also von den klügsten Krimiköpfen der Republik geadelt. Jochen, der in seiner Freizeit auch Death Metal – Musik rezensiert – „Nur totes Metall ist gutes Metall“ -, kümmert dies nicht. Er ist jung. Er ist verwirrt. Er ist rebellisch. Kurzum: Er ist Azubi bei wtd. Haben Sie bitte Nachsicht!)

„Gottlos“ hat einen schönen Einband. Vor einer schieferartigen Textur steht eine engelsgleiche Mädchenstatue mit gefalteten Händen. Warum betet das Mädchen?

Bittet es um eine erzählenswerte Geschichte? Vergebens.
Bittet es um glaubwürdige Figuren? Vergebens.
Bittet es um Qualität? Vergebens.
Bittet es um Sinn und Verstand? Vergebens.
Bittet es um exorbitante Verkaufszahlen? Genehmigt.
Gott ist ein Buchhalter mit einem grausamen Humor. Warum sonst sollte ein Buch, in dem Dummheit Dreh- und Angelpunkt ist, derart erfolgreich sein?

Doch beginnen wir ziemlich am Anfang… Da stolpert ein äußerst unliebenswürdiges Liebespaar (so wird behauptet) während einer an den Haaren herbeigezogenen Beziehungsdiskussion buchstäblich über eine Leiche. Zufällig sind das Paar Polizeichef und Gerichtsmedizinerin des Handlungsortes.

Nicht dass es wichtig wäre, denn erst einmal werden die häuslichen Probleme einer weiteren Polizistin erörtert, die trotz weitschweifiger Erläuterungen WARUM sie sich von ihrem ranzigen Freund schlagen lässt und zu einem Schwangerschaftsabbruch genötigt fühlt, im Vagen bleiben und bis zur mageren Schlusspointe auch keine großartige Rolle mehr spielen. Natürlich trifft die kleine Polizistin eine Mitpatientin in der Abtreibungsklinik, die im Laufe des Romans noch eine gewichtige Rolle spielen soll. Wir nehmen es gelassen zur Kenntnis und kehren zurück zum Kriminalfall – der mit knapp 100 Seiten mehr als ausreichend geschildert wäre (Fundamentalistische Sippe hat Schäfchen in ihren Reihen, die zwischen religiösem Wahnsinn und Machtbesessenheit ein Zelt aufgeschlagen haben, in dem sich Täter und Opfer zum Stelldichein einfinden. Kann nicht gut gehen. Durchaus interessantes Thema, das auf den Punkt erzählt durchaus einen spannenden Krimi hätte ergeben können. Doch genau dazu ist Frau Slaughter nicht in der Lage.), aber in einem Buch von über 500 Seiten kaum Aufmerksamkeit findet. Höchstens dort, wo körperliche Deformationen eine Rolle spielen. Stattdessen: die ewig gleiche Geschichte vom Paar, das nicht zueinander finden kann weil der Teich so tief ist. Natürlich haben sie ihn selbst gebuddelt, wie alle Paare und Verbindungen im Roman selbst schuld sind an ihren zwanghaften Verstrickungen. Das kann man in ein paar Halbsätzen durchaus zur Kenntnis nehmen, nur, muss man daraus ein vielseitiges Nichts extrahieren? Slaughter tut es. Mit Behagen. Erklärt ihre Leser gleich für dämlich, weil kaum eine Handlung geschieht, ohne dass sie als Autorin selbst oder durch eine ihrer erfundenen Figuren erklären lässt, dass das Geschehene gerade passiert ist, und warum es passiert ist.

Wenn ich mir diesen Roman nicht zwecks Rezension gewünscht hätte, ich hätte ihn nach rund 50 Seiten in die Ecke geschmissen. Denn ich hasse es, von AutorInnen zum Idioten erklärt zu werden. Wenn irgendwelche grundunsympathischen und kaum nachvollziehbar handelnden Personen von einer mäßig begabten Autorin gezwungen werden, Dinge zu tun, die ein Lebewesen mit einem IQ knapp über Zimmertemperatur nur unter vermehrtem Drogeneinfluss tun würde, explodiert ein Mindestmaß an Verstand oder schaltet sich ab. Die Verkaufszahlen sprechen Bände, gehecheltes Jauchzen inklusive: es scheint ein LesreInnenklientel zu geben, dass sich im Bett der permanenten Unterforderung behaglich eingerichtet hat. Dort fühlt sich auch Frau Slaughter wohl: zwischen Nichts und nirgendwo und dem traurigen Gefühl, das man ein Buch nicht in den Arsch treten kann, um ihm wenigstens eine lesenswerte Novelle zu entlocken.

„Gottlos“ ist so schlecht, weil es nichts mitzuteilen hat. Dort, wo die Geschichte interessant wird, bricht sie ab oder folgt Spuren, die klischeehafter sind als Mutters verzweifelter Versuch einen Toilettenpapierhalter für den Wagenfond zu häkeln. Am Ende löst sich alles halbwegs in Wohlgefallen auf, das zerstrittene Pärchen wird sich einig, der prügelnde Freund wird vermutlich zum Teufel gejagt. Ach ja, der Fall findet auch seinen Abschluss, und das ein oder andere Opfer ist zu beklagen. Wenn man denn will. Ich will nicht, sondern bin heilfroh, dass das Debakel endlich zugeklappt werden kann.

© Jochen König im gottlosen Jahr 2007

Karin Slaughter: Gottlos. 
Wunderlich 2007
(Original: „Faithless“, 2005, deutsch von Sophie Zeitz).
510 Seiten. 19,90 €

7 Gedanken zu „Karin Slaughter: Gottlos“

  1. Darf ich mich mal unbeliebt machen? Wohlan: Gut gemacht, Jochen König! Lass dich nicht von deinen Chefs beeinflussen. (Und streu noch ein paar Kommas in deinen Text, da fehlen nämlich einige. Oder nimm sie von da, wo welche zu viel sind. Apostrophe? Frag Fräulein Anobella.)

  2. Was heißt hier „unbeliebt MACHEN“…Unser Azubi Jochen verachtet die Kommaregelung und pflegt seinen eigenen, sehr dynamischen Stil. Unser Korrektorat ist angewiesen, dies zu respektieren. Aber Hut ab, dass du einem jungen Menschen Worte der Anerkennung spendest! Das findet man nicht oft!

    bye
    dpr

  3. Danke für’s Kompliment, Georg! Ich habe mich redlich bemüht, Frau Slaughter gerecht zu werden. Tja, und den Kampf um die Kommas, den ich wie Karl Kraus so gerne führen würde, den verliere ich halt manchmal, wenn’s Schreiben gut von der Hand geht;-) Und nachträglich ändern – da müsste der Chef schon ran…

  4. Danke Jochen, ich BIN über 40 und kann dir nur Recht geben. Ich habe die gottlos schlechten Krimis von Slaughter schon seit Jahren nicht mehr wahrgenommen. Habe es zweimal mit älteren Titeln versucht -nie bis zum bitteren Ende- und bin einzig zu dem Schluß gekommen, daß ich dazu weder Zeit noch Lust habe. Es gibt soviele gute und lesenswerte Krimis, da kann man mit Slaughter einfach keine Zeit verlieren.

  5. Lobt mir hier den Burschen nicht zu sehr! Das macht ihn nur übermütig und ermuntert ihn zu Widerworten! Lehrjahre sind keine Herrenjahre!

    bye
    dpr

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