Eine ebenso mitleidige wie filmkundige Seele hat mich (mitleidlos, filmunkundig) auf eine gewisse inhaltliche Ähnlichkeit des Sallis-Buchs mit Walter Hills Film „The Driver“ von 1978 hingewiesen. Nun kenne ich den Film, wie gesagt, nicht. Doch was ich darüber lesen konnte, bestätigt die Vermutung meines Tippgebers – und ist dennoch weit davon entfernt, another Tannöd-Case zu werden…
„“The Driver“ is specialist in a rare business: he drives getaway cars in robberies. His exceptional talent prevented him from being caught yet.“ – schreibt die → „Internet Movie Database“. Als Stuntfahrer ist er wohl nicht tätig – aber wie bei Sallis heißt er auch in Hills Film nur „(The) Driver“, so wie dort alle anderen Personen auch nicht mit Namen, sondern ihrer Berufsbezeichnung oder besonderen Merkmalen geführt werden (The Detective, The Player etc.). Bei Sallis steht dieses Privileg nur dem Titelhelden selbst zu.
Beide Protagonisten sind wortkarg („…die Hauptfigur gibt insgesamt nur 350 Worte ab“, steht im →Wikipedia-Artikel), sie haben einen Gegenspieler, der ähnlich besessen ist wie sie selbst (bei Hill der Detective) und sind am Ende „fast Freunde“ (Sallis‘ Driver tötet seinen „Freund“ jedoch).
Über Hills Werk heißt es im →„Ray Magazin“: „So erinnert The Driver (1978) durch seine stark reduktionistische Inszenierung und den konsequent lakonischen Grundton vielmehr an den Existenzialismus Jean-Pierre Melvilles als an einen typischen Actionfilm Hollywoods.“
Reduktion und Lakonik sind auch die Arbeitsmittel von Sallis – doch geht er noch weiter als Hill, der, wenn ich das richtig sehe, eine „Noir-Welt“ inszeniert, während sich Sallis auf seinen Protagonisten beschränkt und die Erkenntnis des „Allgemeincharakters“ als Leseleistung abverlangt. Dafür sprechen mehrere Umstände. Zunächst der, dass eben bei Sallis nur der Driver selbst typisiert wird, das übrige Personal seine „Normalnamen“ behält. Dann die Handlung selbst, die im Film als ein Zweikampf Verbrecher – Polizist inszeniert zu werden scheint, im Buch jedoch vollständig auf den Protagonisten fixiert ist.
Und das ist halt der Unterschied Literatur – FIlm. Erstere vermag Handlung aus dem Kopf einer Person heraus zu entwickeln, letzterer vermag dies auch, aber er muss diesen Kopfinhalt konsequent in Bilder umsetzen (Was auch Vorteile hat. Die Abbildung des Gemütszustandes einer Person über die Ausleuchtung einer Szene etwa. Funktioniert nur im Film so. Heißt aber nicht, dass in Romanen Personen ihren Gemütszustand kapitellang ausschwafeln müssten. Geht auch dort anders besser. — Hm, das wäre jetzt ein Thema für sich…)
Sallis wurde wohl von Hills Film inspiriert, hat ihn ausgewertet und für seine Belange umgebaut. Nix „geklaut“. So funktionieren Kunst und Literatur nun mal.
Nachtrag, Spezifizierung: Auch Literatur arbeitet mit „Beleuchtungen“ (natürlich auch mit „Kameraeinstellungen“ pp). „Ich kam nachhaus, machte mir schnell was zu essen und sah dann fern“ hat eine andere „Beleuchtung“ / Atmosphäre als „Daheim. Schnell was zu essen machen. Glotze an, gucken.“ —
dpr
Der Film ist ein Duell zwischen einem Polizisten (Bruce Dern) und einem Gangster (Ryan O’Neal). Der Polizist will den Gangster mit allen, auch illegalen, Mitteln fangen. Zwischen ihnen steht dann noch eine Frau (Isabelle Adjani). Garniert wird dieses vom damaligen Action-Guru Walter Hill inszenierte Duell mit zahlreichen Autoverfolgungsjagden.
Interessant an „Driver“ ist, dass erstmals ein Fluchtwagenfahrer (sonst höchstens eine Nebenfigur) im Mittelpunkt stand.
Natürlich kann auch an den neuen Tarantino „Death Proof“ gedacht werden. Immerhin ist hier der Held ein Stuntman, der zum Verbrecher wurde und für seine Taten sein Auto verwendet.
Aber der fantastische Roman „Driver“ von James Sallis erzählt natürlich eine vollkommen andere Geschichte. Ich werde ihn demnächst in meinem Blog abfeiern.