Ja, liebe Leserschaft, das hier ist endlich mal MEHR als ein Krimi. Schon dass ich bei der Lektüre ständig diese Charleston-Klänge im Ohr hatte und mondäne Damen in engen Tanzkleidern und mit Straußenfedern an den Topfhüten sah – völlig anachronistisch, nebenbei, denn Gilbert Adairs stilvoller Mord findet im London der unmittelbaren Nachkriegszeit statt. Das Beste jedoch: Beim Lesen hätte ich ohne Mühe drei Paar Socken und einen Schal häkeln können. Okay; der Rezensent kann nicht häkeln. Aber wir verstehn uns: Hä-kel-kri-mi. So, und kommt jetzt der große Abrat? Bloß nicht lesen, diesen Schmand? Ganz im Gegenteil! Lesen!
Es beginnt damit, dass Eustace Trubshawe, der pensionierte Scotland Yardler, rein zufällig im Ritz seinen Tee trinken will und der Krimiautorin Evadne Mount wiederbegegnet, mit der er vor zehn Jahren bekanntlich den „Mord auf ffolkes Manor“ geklärt hat, wir erinnern uns. Beide sind einsam. Da kommt es gelegen, dass Cora Rutherford, Schauspielerin auf dem absteigenden Ast und Freundin Evadnes, das gelangweilte Pärchen zu den Dreharbeiten für ihrem neuesten Film (okay, sie spielt nur eine Nebenrolle) „Wenn sie je meine Leiche finden“ einlädt. Doch diese Dreharbeiten stehen unter keinem guten Stern. Der Regisseur Alastair Farjeon verbrennt zusammen mit einem Starlett in seinem Haus, der Assistent des Meisters übernimmt kurzfristig die Leitung (Farjeon ist übrigens Alfred Hitchcook; ein liebeswürdig hinterhältiges Porträt). Und dann das noch: Vor versammelter Mannschaft und laufender Kamera fällt Cora Rutherford tot um. Gift! Ein Fall für Evadne und Eustace, von Langeweile keine Spur mehr.
Jetzt geht alles seinen Häkelgang. Eine überschaubare Gruppe von Verdächtigen, Verhöre, Hypothesen. Eustace übernimmt die Rolle des Praktikers, der am Ende natürlich falschliegt, denn Evadne klärt das Verbrechen, so wie es die Helden in ihren Krimis tun.
Das ist der Punkt. Von Anfang an treibt Adair ein munteres Spielchen mit uns. Er dekonstruiert den „Häkelkrimi“, indem er einen Häkelkrimi konstruiert. Immer wieder unterhalten sich Trubshawe und Mount über „Theoretisches“, und das hat es in sich.
„Wissen Sie, meine Theorie ist, daß die Spannung, die wirkliche Spannung, der wirkliche Kitzel bei einem Kriminalroman – genauer gesagt, auf den letzten paar Seiten eines Kriminalromans – weniger mit der Enthüllung etwa der Identität des Mörders zu tun hat oder mit der Klärung seiner Motive oder mit sonst etwas, das die Autorin ausgeheckt hat, sondern mit der wachsenden Befürchtung des Lesers, daß sich das Ende nach all der Zeit und Mühe, die er in das Buch investiert hat, wieder einmal als Reinfall herausstellt. Mit anderen Worten, was die die Spannung erzeugt, von der Sie sprechen, ist nicht etwa die Angst des Lesers, daß der Detektiv versagen könnte – er weiß, das passiert nie -, sondern daß der Autor versagt.“
Um Ihnen diese Spannung gleich zu nehmen: Der Autor versagt nicht. Welches Spiel er spielt – das nämlich von der Fiktion in der Fiktion von der Wirklichkeit – wird gleich zu Anfang deutlich. Evadne hat für eine Wohltätigkeitsveranstaltung ein kurzes Theaterstück geschrieben. Jemand wird auf offener Bühne erschossen und so weiter. Evadne, die mit Eustace der Aufführung beiwohnt, springt plötzlich auf und rennt erregt auf die Bühne. Der Schauspieler ist wirklich tot! Keine Platzpatronen!
Natürlich ist er nicht wirklich tot, Evadnes Auftritt gehörte zur Inszenierung. Und genau so funktioniert Adairs Roman. Am Ende verspricht die Autorin, den soeben glücklich gelösten Fall aufzuschreiben – aber was lesen wir eigentlich, wenn nicht genau dieses Buch? Zu dessen Fiktion es eben gehört, dass man uns das Fiktive als Wirklichkeit vormacht und die Wirklichkeit als Fiktion verkauft.
Interessiert Sie alles nicht? Sie wollen ungestört häkeln? Tun Sie das. Auch diese Kunst beherrscht Adair stilvoll.
Gilbert Adair: Ein stilvoller Mord in Elstree.
Verlag C.H. Beck 2007. 301 Seiten, 18,90 €
(Original: A Mysterious Affair of Style, 2007, deutsch von Jochen Schimmang)
wat isn montän?
Ich weiß es nicht, Argusäugigste. Vielleicht irgendwas mit „montan“? Mountain? Die Damen aus den Bergen? Hm. Ich habs mal korrigiert, bis mir einfällt, was „montän“ sein könnte. Dann korrigier ichs noch mal.
bye
dpr