„Die Lage ist ernst, aber hoffnungslos.“ Wann immer Chef Walter eine Redaktionssitzung mit diesen Worten beginnt, wissen wir, was die Stunde geschlagen hat: Scheffe hat mal wieder eine Idee.
„Entgegen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, doziert der oberste aller Redakteure, „hat HINTERNET, die Spannungstankstelle am Rande des Mainstreams, sein Geschäftsvolumen lediglich um mickrige 0,3 % steigern können. – Wo ist eigentlich Fräulein Anobella?“
„Auf Bädertournee“, informiert dpr und verdreht die Augen Richtung Kronleuchter. „Madame führt in 13 führenden deutschen Heilwasserkurorten ihre gruselig spannende Groteske ‚Ich hab mal wieder mein Portemonnaie verloren’ auf.“
„Und das zahlt die Krankenkasse?“, fragt staunend Auslandskorrespondent Bernd.
„Wer sonst?“ antwortet dpr, die Augen langsam wieder Richtung Tischplatte schwenkend, „Irgendwo her müssen ja all die Nervenzusammenbrüche kommen, die dann in den Psychiatrien der Republik behandelt werden müssen.“
Chef Walter klopft ungeduldig mit den Fingerknöcheln auf die Armlehne seines Ausbeuter-Drehstuhls und sagt orakelnd: „Sind das schon die ersten Verfallserscheinungen? Rise and Decline of the Hinternet? – Und machen Sie endlich Ihren Eipott aus, König!“
Der störrische Azubi grunzt und – Lehrjahre sind schließlich keine Musikhörjahre – tut wie geheißen.
„Meine Herren!“: der Chef. Die Angesprochenen verkrampfen instinktiv und hätten ihre Augen lieber am Kronleuchter als in der unheilschwangeren Miene Walters, durch die jetzt der Anflug eines dominanten Grinsens zieht.
„Wir müssen etwas tun! So kann es nicht weitergehen! Immer nur Rezis, Rezis, Rezis, das will doch kein Schwein mehr lesen! Was wir brauchen, sind EVENTS!“
Das Team zuckt kollegial zusammen. Events?
„Exakt! Events!“ fährt Walter fort. „Denken Sie bloß an diese Aktion ‚Die schönsten Romananfänge’! Das stand sogar in der BILD-Zeitung! Dort müssen wir auch hin! Also, was ich mir überlegt habe…“
Azubi König schaltet seinen Eipott wieder ein, Bernd muss „dringend mal aufs Klo“, dpr denkt an seinen neuen Blog „Sex und andere frauenverachtende Tätigkeiten“.
„Ich habe mir überlegt… Wir machen einen kulturellen Event namens DER SCHÖNSTE DEUTSCHE KRIMISCHLUSS! Na?“
Zustimmung heischend schweift der Chefblick über die Häupter seiner Lieben.
König: „Super“.
Bernd: „Toll“.
Dpr: „Wollte ich auch gerade vorschlagen“.
Der Chef nickt befriedigt. „Ich habe auch schon fünf sichere Kandidaten ausgesucht, alles 1A-Krimischlüsse aus einheimischer Produktion. Die Freunde des Genres werden mitfiebern, sie werden abstimmen – schon um den ausgelobten Superpreis zu gewinnen: SÄMTLICHE REZENSIONSEXEMPLARE 2007 VON DPR!“
Dpr wird blaß. „Alle beide?“
„Keine Widerrede! Opfer sind da, um gebracht zu werden, verstanden? Und jetzt zuhören, ich präsentiere die fünf Kandidaten für das Hammerevent: DER SCHÖNSTE DEUTSCHE KRIMISCHLUSS! Hier sind sie…“
„Ja mei“, stöhnte Polonius Fischer, „jetzt hatta fei doch der Kraxlhuber Toni die oide Theres umbracht!“ (Friedrich Ani, „Die Teufel der Engel“)
Ina Henkel trat dem Mörder Hubert Sachs mit Karacho in die Eier, sagte „So!“ und legte dem gutaussehenden 32jährigen Volkswirt Handschellen an. (Astrid Paprotta, „Ham Se ma Feuer?“)
Louise Boni leerte die Whiskyflasche und blickte, nachdem sie Werner Zirz des Mordes an Günther Grutzke überführt hatte, über den tosenden Bodensee. (Oliver Bottini, „Die Väter der Sünden sind die Mütter des Zen“)
Und so kam es, dass Juli Zeh mit der Entlarvung des Massenmörders Wurps die deutsche Kriminalliteratur revolutioniert hatte. (Juli Zeh, „Die Entlarvung des Massenmörders Wurps. Eine Revolutionierung der deutschen Kriminalliteratur“)
„Steh hier nicht rum, als hättest du einen Rostock verschluckt, Weinert, du gemeiner Mörder!“ (Henrike Heiland / Christine Geldmacher: Rostocker Spitzen)
Fünf Minuten lang regt sich nichts. Niemand spricht. Bis es der Chef nicht mehr aushält.
„Keine Reaktionen? Sprachlos, was? Beschämt, dass einem das nicht selber eingefallen ist, wie? Oh, ich sehe schon die Nachrichten-Ticker heißlaufen, sehe die Schlagzeilen in der ZEIT…wir werden groß rauskommen, die Bilanzen werden erblühen, meine Bankkonten feixen…“
Unmerklich schüttelt dpr sein greises Haupt. Böse Vorahnungen plagen ihn…
Anobella (in trendy-tapetengemustertem-70er-Jahre- Outfit, stürzt durch die Tür, verliert ihre Unterlagen, sammelt sie wieder auf, fleddert sie auf den Tisch, rutscht zerfahren auf ihren Stuhl)
Alle (seufzen)
Anobella (herzt dpr)
dpr (warnt): Dicke Luft …
Anobella: Entschuldigt, ich habe erst den Bus verpasst, dann den Anschlusszug nicht bekommen, und in Saarbrücken gibts ja gar keine Taxis …
(Herr) Mitty (streng): Alle waren rechtzeitig da, Anobella. Sogar der Azubi!
Anobella (konsterniert)
dpr (legt Anobella die Krimischlüsse vor und skizziert (Herrn) Mittys Vorschlag)
Anobella (liest durch, roter Korrekturstift, zeichnet an): Meines Wissens heißt diese berühmte Autorin ChristiAne Geldmacher.
dpr (tut dick): Papperlapapp. Ich kenne sie seit Jahren. Wir mailen täglich. Sie ist eine wertvolle, ZUVERLÄSSIGE Mitarbeiterin des Krimijahrbuchs! Ich werde ja wohl ihren Namen wissen!
Anobella (schaltet ihren Rechner an, googelt nach dem Namen) (deutet auf den Bildschirm): Da stehts! ChristiAne Geldmacher.
dpr (wirft die Arme hoch): Was ist daran jetzt wichtig? Könntest du was zu dem EVENT sagen?!
(Herr) Mitty (mahnt): Wir sollten den Namen der Autoren SCHON Sorgfalt angedeihen lassen … undenkbar, dass einer im Hinternet Charles Bukowsky oder Karl von Holtey oder Karl Mai schreibt …
Azubi Jochen: Karl Mai? (kringelt sich)
dpr: Aaaargh … Petitessen …
Anobella (studiert den Eventvorschlag) (votiert): Es sollte ein ganzer Absatz sein! Oder am besten eine ganze Seite!
Alle (Blick zur Decke): Klar, Anobella. Wir haben vor Weihnachten ja sonst nichts zu tun.
dpr (schüttelt sein greises Haupt) (wird von bösen Vorahnungen geplagt)
Aaargh…Kopfschütteln…böse Vorahnungen…
bye
dpr
Außerdem heißt es: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“
Die Hoffnung ist ernst, aber lakenlos (Wiesbadener Autorinnenweisheit)
bye
dpr
„Du meinst das hoffentlich ernst mit dem Laken.“
Was faselt ihr eigentlich …?
im Ernst: Die Hoffnung ist laktoselos.
bye
dpr
Anobella: Das sind alles Wiesbadener Autorinnenweisheiten. Sachbloß, du kenntest sie nicht?! –
Laktoselos spielt auf Henrike an …
*rätselt
Hoffnungslos ist im Ernstfall der Laktose los.
Hoffnungslos ist im Ernstfall der Laktose Los.
* so isses richtich
Das muss „der Lackdose Los“ heißen. Spielt jetzt nicht auf Henrike an, Fräuleinchen!
bye
dpr
?????? ???????
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Wie war das noch mit Reden, Schweigen, Silber und Gold?
Ludger
Auf deine derzeitigen Blogaktivitäten gemünzt, mein Lieber, machst du ne Menge Gold. Nicht dass ich es dir nicht gönnen würde…
bye
dpr