Portishead – Third

Ja, mein Gott! Kann ein Album noch tiefer schürfen als „Dummy“, können Songs noch mehr Kälte und Intellektualität, Größe und Erhabenheit, vor allem aber Uniqueness ausstrahlen, als „Sour Times“ oder „Glory Box“?

Yep! „Third“ ist der wohl größte Wurf mindestens in den vergangenen fünf Jahren Popgeschichte.

„Third“ vereint die konsequente Fortsetzung des Portishead-Sounds mit äußerst erfolgreichem Crate Digging, dem Schnüffeln nach Sounds, die wirklich niemals jemand gehört hat. Geoff Barrow und Adrian Utley bohren, schrauben, quetschen, zirpen, scheppern und kratzen sich mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Orgel, Kontrabass und (fast) ohne Samples in eine ganz ureigene Klangwelt, Beth Gibbons singt, nein, klagt sich dabei fast um den Verstand und die Band lehrt den Hörer das Gruseln.

Kalte Verzweiflung packt den eh schon sour times gewohnten PORTISHEAD-Fan. Gespenstisch die Songs, geisterhaft und depressiv die aufgebaute Klangwelt. Aber unfassbar schöne Stücke wie „Small“, „We Carry On“, „Nylon Smile“ oder „Magic Doors“, völlig irre die erste Singleauskoppelung „Machine Gun“, deren Songgerüst tatsächlich so klingt, als sei er auf dem Lärm einer Maschinengewehrsalve aufgebaut, das wundervolle „Threads“ noch am ehesten am „Sour Times/Glory Box“-Sound.

Sicherlich tauchen in der Ferne Bandnamen auf, sicherlich erinnern Fragmente dieser großen Songs an andere große Bands wie etwa Einstürzende Neubauten, vielleicht Joy Division, aber auch an unsere immer wieder zitierten Can. Und dennoch: Das (!) ist (!) eigen (!).

„Small“ soll als Beispiel dienen: Die Gitarre eröffnet in typischer, depressiv-portisheadscher, zurückhaltender Downtempo-Moll-Manier, Gibbons stimmt ihre Klage an, leise noch, danach streicht einem ein Kontrabass dermaßen über die Nerven, dass es einen schüttelt, bevor Utley und Barrow es elektronisch zirpen und quietschen lassen und den Song zum ersten Höhepunkt treiben, der Kontrabass ihn wieder abwürgt und Gibbons wieder übernimmt und es kurze Zeit später die beiden Soundtüftler ein zweites Mal krachen lassen. Die Instrumente jammern, klagen, schreien, wimmern und kreischen mit Gibbons um die Wette.

Immerhin: Es ist ein Jammern und Klagen, wie es die Welt noch nie gehört hat. „La première ambition de Portishead a toujours été d´etre seul au monde“, wird Adrian Utley in der Ausgabe 648 von Les Inrockuptibles zitiert. Ja, einzigartig!

Portishead
Third
Island/Universal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert